Gladio Berlin: There is an Angel passing

Wenn Dokumentiertes, also Feststehendes in einer Vita zweifelhaft wird – so fällt im Counter Intelligence häufig die Redewendung „…there is an angel  passing…“ oder „…un ange vient de passer…“, der Hauch der nachrichtendienstlichen Manipulation weht durch die Ermittlung.

Ein Engel ging auch bei meiner Recherche über Hans- Jürgen L. durch das Zimmer. Am Anfang stand die Aussage eines Hamburger Rechtsanwaltes: „… keine Ahnung. was der in Münster studiert hat, bestimmt nicht Jura…“ „Äh?“ – Der Mann war zugelassener Rechtsanwalt in Hamburg.“ „Na und? Jura hat der auf keinen Fall studiert.“

Gerüchte und Aussagen

Wird dies von einem Rechtsanwalt behauptet, dann kann man diese Auskunft getrost in der Schublade „Gehässigkeit“ ablegen. Behaupten dies drei Volljuristen unabhängig von einander, dann steht man zunächst einmal im Wald, zumal die Gesprächspartner diese ihre Aussage auch im Detail begründeten. Die Aussagen stehen diametral im Widerspruch zu der dokumentierten Vita, der Mann ist Volljurist und war zugelassener Rechtsanwalt.

Es blieb nicht der einzige Punkt in der Vita des Mannes, der nicht wirklich greifbar war, weshalb ich der Zielperson den Arbeitsname „Qualle“ gab.

Fest steht, der Mann ist verheiratet, hat Kinder und begann seine Karriere in Hamburg in einer auf Insolvenzrecht spezialisierten Anwaltskanzlei. Daneben gibt es allerlei „private“ Aktivitäten, welche nicht so richtig zusammenpassen.

So taucht er in der Hamburger GAL (Grün Alternative Liste) ebenso auf, wie in einem Kontaktumfeld, in dem es von Namen des so genannten Warnemünder Kreises nur so wimmelt. Auch ein Informant der ehemaligen AGM/S (Hauptabteilung XXIII des MfS) glaubt dies zu wissen.

Eine Telefonbuchrecherche bringt etwas Klarheit. Es gibt fast so viele Hans- Jürgen L. wie Gerhard Schröder, weshalb es unklar ist, wer  von denen was gemacht hat und da ich keine Fotos der Zielperson aus der Vorwendezeit habe, kann ich mir die Auskünfte der Informanten in den Kamin hängen.

Fakten

Ich stehe am Anfang einer Recherche, suche nach einer zu beweisenden Arbeitshypothese und habe in diesem Stadium keine Lust mir die Schuhsohlen abzulatschen für eine weitere Vorrecherche, also bleibe ich für den Moment bei den bisher gefundenen Fakten.

Fakt ist, die Kanzlei des Mannes hatte im Jahre 2001 über 60 Mitarbeiter.

Fakt ist des Weiteren, dass der Herr Insolvenzverwalter im Mercedes 600 durch Mecklenburg Vorpommern reiste und alles Mögliche machte, nur keine Insolvenzverwaltung. Er dreht an Rädern, die nichts – aber auch nicht das Geringste – mit seinem Job zu tun hatten. Ein Hans Dampf in allen Gassen, ob eine Ministerin in die Ukraine fliegt oder ob sich die „Zockerkönige“  (Spielbankenbetreiber) in Rostock treffen, Hans- Jürgen L. ist immer mit dabei.  Im Fall „Hansegast“, der selbst einen Untersuchungsausschuss in Schwerin beschäftigte, favorisiert er temporär einen Spielbankenbetreiber, der angeblich Spielbanken in Ex- Jugoslawien und in Moskau betrieb.

Egal welchen wirtschaftlichen Kontakt von Hans- Jürgen L. ich nehme, ich lande immer in der „Schachtel“ [ein Begriff aus dem Konzernsteuerrecht], also in Netzwerken von Firmen.  Will ich an die Hintermänner, so muss ich erst Gesellschafter in Form von Firmen abklären, deren Gesellschafter wiederum Firmen sind und wenn ich Glück habe, dann taucht in der zwanzigsten Firma endlich auch einmal eine natürliche Person als Gesellschafter auf, die dann aber auch gleich an 120 weiteren Gesellschaften beteiligt ist und die kein Mensch zu kennen scheint.

In der Regel habe ich dieses Glück nicht. Ich lande bei ausländischen Gesellschaften und spätestens nach der dritten Staatsgrenze verliert sich die Spur.

Vergleichbar sieht das weltumspannende Firmennetzwerk aus, welches Hans- Jürgen L. aufgebaut hat – selbstverständlich nur zum Zwecke der Abwicklung seiner Insolvenzverwaltungen — würde er behaupten. Na klar, wir glauben sicher alle noch an den Weihnachtsmann.

Bewegungsprofil

War er am Anfang noch in Mecklenburg Vorpommern unterwegs, so dehnte sich seine Reiseaktivitäten über das östliche Europa nach Asien und Nordamerika aus. Ich frage mich, wenn ich ein Bewegungsbild erstellen würde, wann ich zu dem Punkt komme, an dem ich zwei Flugzeuge finde, eins auf dem Weg von Hongkong nach Frankfurt/Main und das andere von Frankfurt/M nach Hongkong und in beiden Flugzeugen finde ich den Insolvenzverwalter Hans- Jürgen L.

Resümee

Bei diesem Mann rauscht kein einzelner Engel durch das Zimmer sondern, die „VHH“ (Vereinte Himmlische Heerscharen). Das riecht nicht nur nach Nachrichtendienst. Das ist Nachrichtendienst pur. Auf eine vergleichbare Spurenlage bin ich in meiner KoKo Recherche gestoßen.

So nicht

Recherchen kosten Zeit und Geld und beides habe ich nicht, weshalb ich mir überlege, wie ich doch noch an eine möglichst einfach, aufzuklärende Arbeitshypothese komme.

Alternativen

Kommt man einer Person nicht näher, so erweisen sich häufig deren Kontaktpersonen als hilfreich oder man muss wirklich eine weitere Vorrecherche machen und mit Freunden, Nachbarn, ehemalige Angestellte oder Bekannten (noch einmal) reden. Also schaute ich mir diesen möglichen Personenkreis erneut näher an und siehe da, ich treffe auf weitere Personen, welche sich eines Tages bestimmt in der Luft selbst begegnen.

Letzte Alternative, ich gleiche die KoKo Recherche mit den bisher bekannten Daten dieser Recherche ab. Ärgerlich, über KoKo Kanada liegen mir zu wenige Daten vor, also rufe ich einen Freund aus alten Tagen an, der will aber nichts wissen oder nach meinem Eindruck, nichts sagen. Er versucht stattdessen mich abzuschöpfen mit der Frage: „Hast Du jemals wieder etwas von Demis gehört?“„Nein, natürlich nicht“, behaupte ich.

Wenn alle Stricke reißen, hilft nur noch eins, eine Person mit Spekulationen aufzuklären. Ein guter Ansatz ist immer der Anfang oder das Ende der Geschichte eines Mannes, also bitte ich Freunde in Thunder Bay, Ontario, ergebnislos um Hilfe, während ich mich selbst an Demis Turan erinnere, dessen hier gewählter fiktiver Name meine Hommage an sein Geburtsland und an das Herkunftsland seiner Mutter ist. Ein toller Bursche. Einer mit dem man Pferde stehlen konnte und der auch dann noch schwieg, wenn er das Pech hatte, dabei erwischt zu werden.

Eine andere Art des Vorgehens

Demis ging Probleme in der Aufklärung oder Aufhellung grundsätzlich gefühlsmäßig an, machte sich eine Ranking der möglichen Wahrscheinlichkeiten und prüfte diese mit den vorhandenen Fakten ab.

Würde ich dies im Falle des Hans-Jürgen L. tun, dann würde ich sagen, der Mann stinkt regelrecht nach alter KoKo- Seilschaft. Diese DDR Gauner ahnten den Zusammenbruch der DDR frühzeitig, haben sich in einem konspirativem Treffen, nach meinen Informationen, wenige Tage vor dem Zusammenbruch der DDR auf die „Rettung“ des für sie greibaren Vermögens geeinigt. Ihr Boss hatte sich in den Westen abgesetzt und war als BND- Informant bei den Schlapphüten untergeschlüpft. Wenige Tage zuvor hatte er sich noch als DDR-Ministerpräsident angeboten.

Eine Buchlektüre bringt mich auf die Idee,  Demis Vorgehensweise mit Ereignissen zu verbinden, welche ich über den Ort finde bzw. weiß. Bei Otto Schwanz gab es den Verdacht, dass dieser nicht nur gegen die DDR gearbeitet hat, sondern mit ihr auch Geschäfte machte, wie dieser verschwundene Schnaps beweist.

Und ich stellte mir die Frage: Ob ich diese Arbeitsthese bei Otto Schwanz erhärten kann? Gab es in diesem „Nest“ eine alte KoKo Struktur und hat Hans-Jürgen L. diese genutzt, so muss es auch auffindbare Indizien oder Beweise geben.

Clearing der Legende

Nachrichtendienste greifen häufig auf die Vita Verstorbener. Bei der KoKo gingen die Herren andere Wege. Der arme (angebliche) DDR- Flüchtling wanderte nach einigen Jahren Bundesrepublik aus, um wieder einige Jahre später reumütig in die Bundesrepublik zurück zu kehren – als umtriebiger Geschäftsmann mit Vermögen. Dieser Weg lässt sich zeitlich erheblich verkürzen, wenn der Mann/die Frau die Vita einer anderen Person übernimmt. Kanada bietet sich hierfür regelrecht an, nicht jede Auswandererstory ist eine Erfolgsgeschichte.

Neben möglich auffindbaren geschäftlichen Aktivitäten der KoKo wäre dies eine weitere, zu verfolgende Spur. In meinen alten Rechercheunterlagen über die KoKo gibt es eine Vielzahl derartiger Rückwanderer.

Zunächst einmal muss ich wissen, warum dieser Otto Schwanz glaubte, die CIA habe ihn eiskalt gebadet. Eine Artikelrecherche ergibt, diese Äußerung hat er auch gegenüber anderen Journalisten gemacht. Es war also kein Ausrutscher.

Zurück zum Teil drei der Serie

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert