Shire Pharmaceuticals wurde der Fälschung von Protokollen, nicht durchgeführter medizinischer Studien, falschen Marketing-Behauptungen und der Beeinflussung von Ärzten in mehreren Fällen seit Jahren in Prozessen von U.S.-Gerichten überführt und zu hohen Geldstrafen verurteilt. Für das Unternehmen nur Peanuts.
Die Kenntnisse um die Skrupellosigkeit und Profitgier grosser Konzerne gehört zur Allgemeinbildung und bedarf keiner weiteren Erwähnung. Ein wenig anders verhält es sich mit dem immer noch vorhandenen Vertrauen einer breiten Bevölkerungsschicht in staatliche Behörden und speziell in das Gesundheitswesen.
Es ist ein Skandal, mehr noch eine Körperverletzung, dass erst vor kurzer Zeit, im Juni 2014, das Psycho-Medikament „Elvanse“ („VYVANSE“ in den U.S.A.) – das im April 2013 in Deutschland zugelassen wurde nachdem die Europäische Arzneimittelagentur (E.M.A.) drei Jahre zuvor die Zulassung empfohlen hatte – vom Verband der Krankenkassen (G.K.V.) als Medizin für zu aktive Kinder beworben wird.
Mit dem britischen Hersteller wurde eine Einigung zu der offenen Frage erzielt, dass es keinen Zusatznutzen gegenüber vergleichbaren Medikamenten und dementsprechend auch keinen höheren Erstattungsbetrag für den Konzern gibt (Pressemitteilung vom 2.6.2014 „Erstattungsbetrag für ADHS-Medikament steht – Keine Mehrkosten für die gesetzliche Krankenversicherung“).
Wollen diese „Fachexperten“ nun behaupten, von dem seit sechs Jahren anhängigen Verfahren wegen Betrugs in den U.S.A. nichts gewusst zu haben? Immerhin werden die Expertisen der Zulassungsstelle für Arzneimittel F.D.A. wie ein Gottesgebot weltweit akzeptiert. Hier ein Blick in das Gruselkabinett der dreiundzwanzig Seiten umfassenden Erklärung der F.D.A. vom April 2008 zu „Vyvanse“, einer wahren Giftspritze für Leib und Seele.
Im Januar 2014 veröffentlichte der „Spiegel“ einen Beitrag zur durchaus nicht unfehlbaren U.S.-amerikanischen Zulassungsbehörde. Ein dort gesetzter Link auf die Orginalquelle, dem Journal der American Medical Association (JAMA) führt inzwischen ins Nichts.
Bei Shire Pharmaceuticals handelt es sich um einen notorischen Wiederholungstäter, der wie üblich bei den Grossen der Branche Strafgelder bezahlt und weiterhin Kasse macht anstatt das Schicksal kleiner Unternehmen zu teilen und die Lizenz zu verlieren. Auf der Website des Unternehmens sind steigende Umsatzzahlen verzeichnet. Im vergangenen Jahr betrug der Gesamtumsatz fünf Milliarden Dollar. Zudem stehen die Medikamente „Adderall“ und „VYVANSE“ auf der Schwarzen Liste der F.D.A.
Wird diese Unkenntnis bestätigt, sind die deutschen Behörden wegen Desinteresse (etwas Schlimmeres wollen wir hier nicht unterstellen) in ihrer oft verbeamteten Anstellung eine glatte Fehlbesetzung. Im anderen Fall, dass die Verantwortlichen über die Informationen verfügten, sind sie mit ihrem Genehmigungsprozedere zu „Elvance“ nichts anderes als Kriminelle im Dienst der Pharmaindustrie, deren Profite ausschliesslich von Erkrankungen abhängig sind wie die Rüstungsindustrie von der Waffenproduktion. So wie ein Grund für einen Krieg erfunden wird, muss auch dem Krankenstand auf die Sprünge geholfen werden – Beispiel: „Warum französische Kinder kein ADHS haben“.
In der Presseerklärung des G.K.V. heisst es:
Lisdexamfetamin ist ein neuer Wirkstoff, der in inaktiver Form vom Patienten eingenommen und im Blutkreislauf in die aktive Form umgewandelt wird. Das sogenannte Prodrug ergänzt durch seine spezifischen klinischen und pharmakokinetischen Eigenschaften die medikamentösen Behandlungsoptionen von ADHS. Elvanse® wird für die Therapie von Kindern und Jugendlichen mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) eingesetzt, wenn das Ansprechen auf eine zuvor erhaltene Behandlung mit Methylphenidat als klinisch unzureichend angesehen wird.
Shire Pharmaceuticals produziert und vertreibt neben vielen weiteren die Medikamente „Adderall XR“ mit dem Wirkstoff Amphetamin und „Vyvanse“ mit dem Wirkstoff Lisdexamfetamin (letzteres in Deutschland unter der Bezeichnung „Elvance“) zur Behandlung von A.D.H.S., vorrangig für Kinder.
Das Justizministerium der Vereinigten Staaten von Amerika verkündete am 24.September 2014, dass Shire Pharmaceuticals die Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 56.5 Millionen U.S.-Dollar auferlegt wurde und diesem Vergleich zugestimmt wurde. Eine viel zu milde Strafe, denn das ist knapp über ein Prozent vom Gesamtumsatz, da lohnt sich das weitere Lügen und Betrügen staatlicher Behörden im grossen Stil.
Der Pharmakonzern hatte zu mehreren seiner Medikamente falsche Angaben gemacht. Der Prozess beruhte auf zwei verschiedenen von Whistleblowern unter dem Schutz des False Claims Act eingereichte Klagen – von einem ehemaligen Direktor im Jahr 2008 und drei Handelsvertretern des Konzerns. In den Ermittlungen wurden die Anschuldigungen zu Aktivitäten des Unternehmens in dem Zeitraum von 2004 bis zum Jahr 2010 untersucht.
Stephen A. Sheller and Sheller, P.C. übernahm die Rolle des Anklägers und reichte die Klage ein. Weitere Kläger waren das Justizministerium, das Büro des Generalstaatsanwalts vom Eastern District of Pennsylvania einschliesslich der beiden stellvertretenden U.S.-Staatsanwälte David Degnan und Paul Kaufman sowie Natalie Priddy von der Behörde Justice Civil Frauds Division.
Die Pharma-Handelsvertreter wurden vom Konzern angehalten, „Vyvanse“ („Elvance“ in Deutschland) mit falschen und irreführenden Aussagen über die Wirksamkeit als völlig ungefährlich und harmlos darzustellen, obwohl jegliche vorhandene klinischen Daten fehlten um so den hohen Anforderungen zur Genehmigung für gefährliche Medikamente im Gesundheitsprogramm Medicaid der U.S.-Regierung auszuweichen. In Deutschland wurde „Elvance“ – wie oben beschrieben – als Krankenkassen-tauglich genehmigt.
Laut Gerichtsakten entwickelte der Konzern eine hohe kriminelle Energie. Die Mitarbeiter von Shire Pharmaceuticals tätigten Telefonanrufe an Medicaid mit wissentlich falschen Aussagen, bei denen sie verheimlichten für den Konzern zu arbeiten, entwarfen Briefe an Medicaid als würden von der Wirksamkeit überzeugte Ärzte wünschen, dass sie für die Verschreibung von „VYVANSE“ an Patienten aus diesem Programm bezahlt werden.
Zu „Adderall XR“ wurde ohne klinische Daten als Beweise anzuführen behauptet, dass die Einnahme der Droge zur Verringerung der Verhaltensauffälligkeiten von Kindern führt, bis diese auf dem gleichen Niveau wie Kinder ohne A.D.H.S. sind. Weiter ist „Adderall XR“ laut Konzernangabe eine wahre Wunderdroge: „sie verbessert die schulischen Leistungen, verringert die Gefahr eines Autounfalls, eine Scheidung, den Verlust des Arbeitsplatzes, die Arbeitslosigkeit, die Kriminalitätsrate, eine Verhaftung und führt zur Reduzierung sexuell übertragbaren Krankheiten“.
In den Gerichtsakten wurden weitere ähnliche Betrügereien zu anderen Medikamenten aufgelistet, die von der F.D.A. nicht zugelassen sind, um diese auf den „Markt“ zu bekommen. So könnte „Lialda“ Darmkrebs verhindern.
Abschliessend bleibt nur festzustellen, dass die wahren Verlierer die Menschen sind, denen diese Drogen weiterhin auf unverantwortliche Weise verschrieben werden ohne eine echte Aufklärung, Kontrolle medizinischer Langzeitstudien und Transparenz über die tatsächlichen Nebenwirkungen.
Besonders tragisch ist ausser den physischen Schäden der das Bewusstsein verändernde und zerstörende Angriff auf die psychische Befindlichkeit, die oft irreparable Schäden erleidet oder viele Jahre zur Regeneration nach Absetzen der Medikamente benötigt um wieder zu gesunden. Für die Betroffenen und ihre Angehörigen beginnt oft erst der wahre Alptraum mit dem Beginn einer Therapie mit dem Einsatz von Psychopharmaka.
Ein Blick in die Foren im Internet zu Diskussionen über psychoaktive Medikamente spricht Bände über das Leiden und der Abhängigkeit von diesen Drogen, ihren Nebenwirkungen, enttäuschte Hoffnungen nach einem Wechsel zu einer anderen „Marke“, ausprobierte Änderungen der Dosierungen und das Warten auf das Mittel, das endlich die ersehnte Heilung bringen wird um ein ganz normales Leben führen zu können.
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Quellen:
http://www.healthline.com/health-news/shire-fined-for-false-claims-adhd-drugs-092614#1
http://www.digitaljournal.com/pr/2211636