Vor der neuntägigen Reise des Präsidenten nach Asien endeten gestern die Beratungen des Nationalen Sicherheitsrates im Weissen Haus. Ergebnis: Militär mangelhaft, setzen und morgens einem Demokraten salutieren. Zumal wenn laut einer CNN-Umfrage 56 Prozent der US-Staatsbürger gegen eine Truppenverstärkung in Afghanistan sind.
Am gestrigen Mittwoch endete das entscheidende von insgesamt acht Treffen der höchsten Vertreter von ziviler Regierung, Militär und Vertretern der Besatzungsmacht im besetzten Afghanistan, welche via Videokonferenz zugeschaltet waren. Neben Präsident Barack Obama nahmen an dem Treffen Aussenministerin Hillary Clinton, der Chef des Pentagon und Vize-Oberbefehlshaber des Militärs, Verteidigungsminister Robert Gates, der Chef der Vereinigten Generalstäbe, Admiral Mike Mullen, sowie der nationale Sicherheitsberater James Jones teil. Ach ja: Joe Biden war auch da.
Ebenfalls anwesend, der mutmassliche Konkurrent Obamas bei den Präsidentschaftswahlen 2012: General David Petraeus, unter ex-Präsident Bush erst zum Irak-Kommandeur und dann zum Chef des übergeordneten US-Zentralkommandos befördert. Aus Zentralasien waren zugeschaltet der Afghanistan-Kommandeur General Stanley McChrystal und US-Botschafter Karl Eikenberry. Bereits während des Treffens bekam der US-Fernsehsender CBS (1) einen Tipp aus der Regierung: der Präsident weigerte sich, den ultimativen Forderungen des Militärs nach einer Truppenerhöhung in Afghanistan um 40.000 Soldaten nachzugeben und verschob seine Entscheidung bis nach seiner Rückkehr aus Asien.
Aber nicht nur das: mittlerweile wird klar – der Präsident droht mit dem Abzug aus Afghanistan, wenn 8 Jahre nach der Invasion sich dort nicht endlich etwas zum Besseren entwickelt.
„Der Präsident glaubt, dass wir der afghanischen Regierung deutlich machen müssen, dass unsere Verpflichtung nicht ohne Ende ist..Nach Jahren von substantiellen Investitionen durch die Menschen in Amerika, muss die Regierungskontrolle in Afghanistan sich in einer vernünftigen Zeitspanne verbessern um eine erfolgreiche Übertragung an unsere afghanischen Partner zu ermöglichen,“
so ein Sprecher des Weissen Hauses anschliessend gegenüber der Presse (2). Ein anderer Regierungsbeamter („official“):
„Er ist einfach noch nicht überzeugt, dass man eine anhaltende Aufstandsbekämpfungs-Strategie fahren kann, wenn da niemand ist dem man sie übergeben kann.“
In den USA sind laut einer CNN-Umfrage nicht nur 56 % der US-Amerikaner gegen jede weitere Entsendung neuer Verbände ihrer Soldaten ins besetzte Land im fernen Zentralasien – 58 % lehnen den ganzen Krieg ab (2), der aus lauter Selbstverteidigung gegen mutmassliche, aber leider verstorbene saudische Täter nach den Attentaten des 11.September 2001 logisch-unlogisch zivil-militärisch vor 8 Jahren begonnen worden war.
Vor der entscheidenden Sitzung hatten gestern drei Regierungsbeamte gegenüber der „New York Times“ (2) verlautbaren lassen, dass der US-Botschafter in Afghanistan, Karl Eikenberry, sich bereits letzte Woche strikt gegen eine Truppenerhöhung ausgesprochen hatte. Die Memos von Eikenberry, selbst bis 2007 hochrangiger US-Militär in Afghanistan, wurden nicht im Detail bekannt. Dennoch wurde angedeutet, dass dieser schwerste Bedenken hinsichtlich der Berater und obskuren Figuren rund um den afghanischen Präsidenten Hamid Karzai hat.
„Er will wissen, wo das Absprungbrett ist“,
so einer der Quellen wörtlich über Eikenberry zur NYT. In Afghanistan ist es demzufolge bereits seit geraumer Zeit zu Spannungen zwischen dem ex-Militär und US-Botschafter General Eikenberry einerseits und Afghanistan-Kommandeur General Stanley McChrystal andererseits gekommen. McChrystal habe vor allem auf nicht näher definierte „Kommando-Operationen“ gesetzt. Diese habe Botschafter Eikenberry abgelehnt, da sie zu „riskant“ seien und zu „zivilen Opfern“ führen könnten.
In einem in Deutschland bemerkenswert wenig bemerkten politischen Schachzug, hatte vor einer Woche US-Präsident Obama dem afghanischen Präsidenten Hamid Karzai umfangreiche Forderungen gestellt. Eine Antikorruptions-Kommission müsse eingesetzt werden, die afghanischen Behörden, auch in den Provinzen, müssten endliche „strenge Rechenschaftspflicht“ zeigen. Was er verlange, so Obama wörtlich zu Reportern der NYT (3), sei
„ein Sinn von Präsident Karzai dafür, dass, nach einigen schwierigen Jahren in denen manches schief gelaufen ist, er nun tatsächlich mutig und entschlossen voran geht und den Vorteil des Interesses der internationalen Gemeinschaft an inneren Reformen in seinem Land wahrnimmt. Das muss eine unserer höchsten Prioritäten sein.“
Unauffällig gleichzeitig wurde Karzai durch „amerikanische Beamte und deren europäische Kollegen“ eine umfangreiche Liste von Personen zugestellt, welche diese von den afghanischen Behörden gern verhaftet sehen würden – u.a. Karzais eigenen Bruder, Ahmed Wali Karzai, bekanntlich als Drogenbaron und Beihelfer von Todesschwadronen auf der Gehaltsliste der CIA. (4)
Nicht weniger unmöglich zu erfüllen die Forderung an Karzai, einen der grössten Massenmörder Afghanistans zu verhaften, den Mann, den Karzai selbst zum „Generalissimus auf Lebenszeit“ ernannt hat: Rashid Dostum. Dostum war bereits General der afghanischen Armee unter den Sowjets. Heute ist er afghanischer Militärchef unter der Nato. Fehlt eigentlich nur noch, dass Barack Obama mit Michail Gorbatschow und die USA mit der Sowjetunion verwechselt werden.
Nun, solcherlei Sorgen treibt natürlich das Militär der USA um, was sich öfters selbst mit einer Miliz aus Texas verwechselt.
Wäre da nur nicht dieses „God damn piece of paper“ (5), was den Unterschied zur Macht macht, wenn die Moral der Menschen standhält.
(…)
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Quellen:
(1) http://www.cbsnews.com/blogs/2009/11/11/politics/politicalhotsheet/entry5619263.shtml
(2) http://www.nytimes.com/2009/11/12/us/politics/12policy.html
(3) http://www.nytimes.com/2009/11/03/world/asia/03afghan.html
(4) http://www.radio-utopie.de/2009/10/28/nyt-karzais-bruder-organisiert-als-cia-agent-todesschwadronen-aus-altem-taliban-hauptquartier/
(5) http://www.capitolhillblue.com/artman/publish/article_7779.shtml