Totholzfantasien von Matthias Horx

Wenn man über Matthias Horx unbedingt etwas Gutes sagen will, dann fällt den meisten sofort ein, das er gnädigerweise seit 2005 nicht mehr für die „Die Achse des Guten“ des mittlerweile nur noch peinlichen Henryk M. Broder schreibt. Wenn man Horx allerdings vernünftig bewerten will, dann geht das am leichtesten mit dem von im geprägten Satz: „Warum ich nicht an die Klimakatastrophe glaube„.

Menschen die aus allen Dingen Glaubensfragen machen sind gefährlich. Man kann nicht an eine Klimakatastrophe glauben. Man kann den Argumenten dafür oder dagegen zustimmen oder eben nicht. Wer daraus eine Glaubensfrage macht, ist zumeist ein Fundamentalist oder zumindest ein sehr unsauberer Denker.

Natürlich geht es bei Artikeln in der Springerpresse nicht um sauberes Denken. Das wäre dort eher fehl am Platze. Es geht um Demagogie. Allerdings ist das, die wesentliche Aufgabe aller deutschen Totholzmedien und ihrer Ableger im Netz. Das diese Art von demagogischen „Journalisten“ oder vielleicht besser Journalismus vortäuschenden Demagogen Angst haben, ist in letzter Zeit andauernd zu beobachten.

In wilder Panik schlagen sie auf die Netzmedien und insbesondere die Blogs ein und versichern sich gegenseitig im Wochentakt, wie unbedeutend Blogs und freie Netzmedien doch sind. Wenn ein Kind dauernd erklärt, dass es keine Angst hat in den dunklen Keller zu gehen, dann ist es an der Zeit eine Taschenlampe zu ergreifen, dem Kind auch eine in die Hand zu drücken, es an die Hand zu nehmen und mit ihm die vermeintlichen Gefahren des Kellers zu ergründen. Das Kind wird sich beruhigen lassen, weil es für Vernunft und Erkenntnis zugänglich ist.

Den „Journalistendarstellern“ braucht man allerding mit Vernunft nicht zu kommen und erkenntlich sind sie nur für Zuwendungen anderer Art. Weil aber diese kindlichen „Journalistendarsteller“ so große Angst haben, stehen sie zitternd und laut pfeifend auf der Kellertreppe und trauen sich weder vor noch zurück. Leider gibt es auch keinen Erwachsenen der sie da wegholt. Es steht zu befürchten, dass die Archäologen der Zukunft, Unmengen von verhungerten und verdursteten „Journalistendarstellen“ auf den geistigen Kellertreppen wiederfinden werden, wo sie sich in ihrer Angst umklammern.

Es ist ja schon fast mitleiderregend wie sich überall dort, wo die Vertreter der Totholzmedien aufeinandertreffen, sofort ein fast shamanischer Gesang erhebt, der die kernige Gesundheit der Totholzmedien besingt und die eigene Furcht, vor dem absehbaren Untergang, kraftvoll singend verneint. Das hat schon was von Wagner. Nein, nicht von Franz Josef Wagner aus der Springerkanalisation, sondern von Richard Wagner.

Götterdämmerung. Die Medienfürsten als Nornen, vertrieben von Yggdrasil, der Weltesche nun am Walkürenfelsen, das Schicksalsseil der Demagogie und Schleichwerbung spinnend und dabei lamentierend die Geschichte der schönen Todholzwelt vortragend, bis das Schicksalsseil reisst und sie in alle Winde der Wirklichkeit vertrieben werden.

Das hat schon was, wie die Totholzmedienzaren da im dumpfen Klang der Trommeln, um das rauchende Feuer aus nassen Totholz tanzen und ständig darauf hoffen, dass ihnen der große Manitu oder wer auch immer einen Ausweg zeigen möge. Weil es den, in der Art wie sie arbeiten aber nicht gibt, gibt es Leute wie Matthias Horx, die dann in Interviews den Tanz ums rauchende Totholzfeuer noch verstärken sollen. Dabei kommt es dann zu herrlichen Aussagen.

Horx: Wir müssen zunächst die Soziokultur der Zeitung etwas tiefer beleuchten. Zeitungen sind Teil eines täglichen Rituals – man liest sie vor allem zum Frühstück als eine Art Upgrade der Information, und auch, um nicht immer mit dem Partner reden zu müssen, um im Kaffeehaus nicht andere Leute anstarren zu müssen oder in der U-Bahn etwas zu tun zu haben. Diese Sozialfunktion wird man immer brauchen. Trotz aller Individualisierung brauchen Kulturen immer ein Set an gemeinsamen Informationen – man könnte sogar die These aufstellen, dass dies in einer fraktalisierten Informationswelt noch wichtiger wird. Allerdings wandern mache Funktionen von Zeitungen wie Kleinanzeigen und Kalender ins Netz, und das macht es schlichtweg schwieriger, eine Zeitung ökonomisch zu führen.

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Horx: Als Newslieferanten haben Zeitungen ihr Monopol längst verloren. Sie konnten nie so schnell sein wie das Radio oder Fernsehen. Ihre Stärke liegt im Reflektorischen, im Diskursiven, in der Welterklärung. Zeitungen wie die „Presse“, die „FAZ“ oder die „Zeit“, wo ich einige Jahre Redakteur war, sind Institutionen. Eigentlich produzieren sie Sinn und Kohärenz. Andere Zeitungen sind erfolgreich, weil sie das Bedürfnis der Leser nach Verankerung ansprechen, also nach Verortung in der Stadt oder Region.

Die Soziokultur der Zeitung? Da kommt doch gleich wieder Freude auf. Der Begriff der Soziokultur bezieht sich immer auf eine Gesellschaft, oder eine gesellschaftliche Gruppe, aber nie auf eine Sache, wie eine Zeitung. Es ist diese diffuse Sprache, die so klassisch für Leute ist, die sich nicht festlegen wollen, ob sie Baum oder Borke sind.

Meint er nun die gesellschaftliche Gruppe der Zeitungshersteller oder die der Zeitungsleser. Vermutlich letzteres mit den Wunschvorstellungen von ersterem durchmischt. Den idealen Zeitungsleser in der Vorstellung der Zeitungsmacher. „Wovon träumen Sie eigentlich nachts?“ möchte man den Horx da fragen, lässt es aber lieber, aus Angst vor der quasten Antwort.

Der Retter der Totholzmedien ist also ein gesellschaftlicher Krüppel der sich hinter seiner Zeitung versteckt um im öffentlichen Leben nicht mit anderen kommunizieren zu müssen, seinen Partner nicht zu sehen und zu sprechen und sich verstecken zu können. Die Zeitung als Ersatz für eine braune Papiertüte, bekannt aus dem Brown-Paperbag-Job. Ja. Das klingt logisch. Klingt auch irgendwie nach Männern, die heimlich kleine Kabinen aufsuchen, in denen in äußerst schlechter Luft, noch schlechtere Filmchen gegen gutes Geld gezeigt werden.

Wer seine Leser so sieht, der schreibt auch so. Deshalb ist das lamentieren von Horx wegen mangelnder Qualität und zu viel Boulevard nur schmückendes Beiwerk. Für den Typ Leser, den er selbst beschreibt und auf dem er die Zukunft der Totholzmedien aufbauen will, ist selbst der Boulevard noch eine geistige Herausforderung.

Das Upgrade der Informationen ist sprachlich auch sehr schön, zumal er im nächsten Satz zugibt, dass die Totholzmedien mit aktuellen News nichts mehr zu tun haben. Nichts ist älter als die Zeitung von gestern und die Zeitung von heute wird erst morgen geliefert. Was die Zeitung liefern könnte, wären Backgroundinfos, aber die liefert Google schneller und in viel breiterer Auswahl. Man kann sie sogar in Wikipedia kontrollieren.

Wer würde sich heute noch von einer Zeitung die Welt erklären lassen. Das klappt doch nur bei den Lesern des Boulevard. Wer die von Horx genannten Blätter liest, stellt doch gerade fest, dass aus früheren Flachwasserzonen längst Land geworden ist. Tiefgang Null ist die Maxime der Blätter.

Es gibt für die Totholzmedien eigentlich nur einen Existenzgrund. Nur eine Sache, die das Internet und die damit verbundene Technik nicht befriedigend gelöst hat. Man kann mit der Zeitung Insekten totschlagen ohne etwas zu verlieren. Notebooks und selbst billige Netbooks sind dafür einfach zu teuer. Allerdings gibt es für das Insektenproblem Fliegenklatschen die zudem billiger als Zeitungen und für den Zweck optimaler ausgestattet sind und auch länger halten.

Die Totholzmedien werden zu einem Liebhaberobjekt werden, ein für eine bestimmte Klientel produziertes und sicher ertragreiches Nischenprodukt, das aber mit den heutigen Medien nichts mehr zu tun. Sie werden eher wie teure Faksimile-Drucke in aufwendiger Bindung zum Taschenbuch stehen. Nett aber nicht unbedingt nützlich und alltagstauglich.

Es ist übrigens kein Qualitätsproblem der Zeitungen, auch wenn ihre Qualität miserabel ist. Die Zeit der Totholzmedien neigt sich einfach ihrem Ende. So wie man schon lange nicht mehr mit Pferd und Wagen fährt, liest man schon bald keine Zeitung mehr. Die Zeiten wandelnd sich. In diesem Fall zum Besseren.

Quelle

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