Solidaritätsnote der Grundrechtepartei an die Mitglieder der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (G.D.L.) vom 5. November 2014
TARIFEINHEIT FÜR ARBEITGEBER VERSUS TARIFPLURALITÄT FÜR ARBEITNEHMER
Der Tarifvorschlag vom 02. November 2014 des Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbands der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e.V. (Agv MoVe) als Verhandlungsführer für die Deutsche Bahn gegenüber der GDL beinhaltet folgende Fallstricke:
1. Der Tarifvorschlag soll die Gewerkschaften GDL und EVG zu einer Zusammenarbeit zwingen, in welcher der eigentliche Arbeitskampf zwischen den Gewerkschaften stattfinden soll, und die DB und damit der Staat als Eigner der DB ist der Gewinner, weil die DB a) die Gewerkschaft mit den minderen Forderungen im jeweiligen Berufsbereich anerkennen kann, während die andere sich dem Diktat unterwerfen muss und b) der Staat hier eine Vorstufe eines Tarifeinheitsgesetzes durchsetzen will, welches im Licht des Grundgesetzes nicht zulässig wäre.
2. Die GDL will und darf verfassungsrechtlich für ihre Mitglieder verhandeln, egal ob diese als Lokführer, Zugbegleiter oder Hausmeister bei der DB arbeiten. Dieses Grundrecht ist in Gefahr und damit die Funktion von Gewerkschaften an sich. Die Forderung des Staates als Eigner der DB ist im Grunde die Abschaffung der wirksamen Gewerkschaften in ihrer Funktion als Arbeitnehmervertreter mit großen gesellschaftlichen Auswirkungen.
3. Der Staat als Grundrechtsverpflichteter flüchtet sich hier als Unternehmen aus dem verbindlichen Verfassungsrecht in das verhandelbare Tarifrecht, um das Grundrecht und damit Abwehrrecht der Arbeitnehmer auf Koalitionsfreiheit und Tarifpluralität, welches die absolut freie Wahl der Gewerkschaftsvertretung beinhaltet, außer Kraft zu setzen. Da dies nicht direkt geschehen kann, weil dies eine nichtige und damit bereits von Grundgesetzes wegen verbotene Abrede im Sinne des Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG darstellen würde, versucht der Staat als Eigner der DB durch Missbrauch seiner Verfügungsgewalt über öffentlich-rechtliche Medien zur Steuerung der öffentlichen Meinung und durch indirekte Geiselhaft der Bevölkerung beide Gewerkschaften zu zwingen, einen für beide und für die von ihnen vertretenen Arbeitnehmer nachteiligen Vertrag abzuschließen (vgl. Abs. 1). Die öffentliche Meinung soll hier als externer »Streikbrecher« ein für die DB als Arbeitgeber günstiges Ergebnis erwirken. Zum Dank bekommt die Bevölkerung schlechteren Service bei höheren Fahrpreisen.
4. Weil der Staat und damit die DB wissen, dass ein Tarifeinheitsgesetz eine rechtswidrige und damit verbotene Maßnahme im Sinne des Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG ist, soll hier eine Zustimmung der Gewerkschaften zum Verzicht auf die Funktion ihrer Grundrechte als Abwehrrechte erreicht werden. Damit enthaupten sich die Gewerkschaften selbst, da sie sich selbst ihrer Grundrechte als verfassungsrechtliche Grundlage zur Ausübung von Zwang gegenüber Arbeitgebern berauben.
5. Dies wird Auswirkungen auf die gesamten Errungenschaften des Arbeitskampfes haben und als Modell für alle Formen des Arbeitskampfes dienen. Es braucht in Zukunft von den Arbeitgebern nur eine Gegengewerkschaft initiiert zu werden, um jeder anderen Gewerkschaft unter Verweis auf den »historischen« und bindenden Tarifabschluss der Eisenbahner im Jahre 2014 das einzige Mittel zu nehmen, was ihr im Arbeitskampf zusteht: Die Tarifpluralität und der direkte Arbeitskampf in Form des Streikes – nicht als Erpressung, sondern als Grundrecht gegen eine ungerechte Tarifpolitik!
6. Damit unterstellen sich die Gewerkschaften den Forderungen der Arbeitgeber und werden so zu deren Vertretung, anstatt zur Vertretung ihrer Mitglieder als Arbeitnehmer.
7. Einer solchen Entwicklung tritt die GDL entgegen und kämpft damit nicht nur für ihre Mitglieder, sondern indirekt für alle Arbeitnehmer, denn das Grundrecht auf deren wirksame Vertretung gegenüber einer globalisierten und entfesselten Wirtschaft ist in größter Gefahr.
8. Die GDL bedarf aus diesen Gründen der uneingeschränkte Unterstützung aller Gewerkschaften und Personen, welche sich dem Wohl der Arbeitnehmer und dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und den Grundrechten aller Bürger verpflichtet fühlen.
9. Der Staat als Schützer der Grundrechte als gemäß Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar geltendes Recht darf sich hier nicht für die Wirtschaft zum Erfüllungsgehilfen der Außerkraftsetzung von Grundrechten machen, um einem maßlosen Profitstreben auf Kosten aller Bürger den Vorzug gegenüber einer menschlichen und den Grundrechten verpflichteten Arbeitsmarktpolitik zu geben. Damit stellt der Staat das Grundgesetz als ranghöchste Rechtsnorm der Bundesrepublik Deutschland selbst in verfassungswidrige Abrede.