Frisches Geld für strahlende Bomben

Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ICAN stellt heute (7.November 2014) in Berlin die 3. Ausgabe der weltweiten Studie „Don´t Bank On The Bomb“ vor. Die von der niederländischen Organisation PAX verfasste Studie überprüft insgesamt 411 Finanzdienstleister aus 30 Ländern. Sie finanzieren Unternehmen, die Atomsprengköpfe sowie Atomwaffen-Trägersysteme (Raketen, Bomber, U-Boote, etc.) herstellen, bzw. sind an diesen Unternehmen beteiligt.

„Immer mehr Finanzinstitute nehmen das Stigma wahr, das mit der Unterstützung von Atomwaffenherstellern verbunden ist, und entwickeln Richtlinien, um ihr Engagement in diesem Bereich zu begrenzen oder zu beenden. Keine Bank, kein Pensionsfonds oder Versicherungsunternehmen sollte finanzielle Beziehungen zu Unternehmen unterhalten, die an der Herstellung von Massenvernichtungswaffen beteiligt sind“, fordert Susi Snyder von der niederländischen Nicht-Regierungsorganisation PAX, Ko-Autorin der Studie.

28 weltweit tätige Hersteller dieser nuklearen Massenvernichtungstechnik wurden untersucht. Die Geldhäuser versorgten sie im Zeitraum von 2011 bis 2014 mit 318 Mrd. Euro (402 Mrd. US$). Die Hersteller sind größtenteils in den USA ansässig, einige wenige in europäischen Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Italien oder Deutschland beheimatet. Die größten 10 Finanzdienstleister kommen ebenfalls aus den USA, mit Ausnahme der französischen Bank BNP Paribas. Diese führt die Rangliste der europäischen Finanzinstitute an, gefolgt von der Royal Bank of Scotland und Barclays aus Großbritannien.

Zehn deutsche Finanzinstitute finden sich in der Studie. Den Rechercheergebnissen zufolge unterhalten sie Finanzbeziehungen in Höhe von ca. 7,2 Mrd. Euro zu 20 verschiedenen Herstellern von Nuklearwaffentechnologien. Bei den Zahlen bleibt unberücksichtigt, dass es sich in der Regel um Mischkonzerne handelt, die nur einen gewissen Anteil ihres Geschäftes im Rüstungsbereich tätigen.

Die umfassendsten Geschäftsbeziehungen bestehen hierzulande zum ThyssenKrupp Konzern (knapp 50% der Gesamtsumme), der Airbus Group sowie zu BAE Systems und Northrop Grumman.

Die Deutsche Bank führt das deutsche Ranking an: sie unterhält Geschäftsbeziehungen zu 14 Atomwaffenherstellern (Größenordnung ca. 3,1 Mrd. €), gefolgt von der Commerzbank (Größenordnung ca. 2,2 Mrd. €) mit Verbindungen zu sechs Atomwaffenherstellern. Der Allianz-Versicherungskonzern, auf Platz 3, verwaltet selbst bzw. treuhänderisch Vermögenswerte an 10 Atomwaffenherstellern (Größenordnung ca. 700 Mio. €).

„Anders als beim Thema Streumunition und Landminen sind deutsche Finanzhäuser auch nach mehreren Jahren intensiver Auseinandersetzung nicht bereit, sich systematisch von einschlägigen Kunden und Rüstungsgiganten wie BAE Systems oder Northrop Grumman zu verabschieden, die massiv in die Herstellung von Atomwaffentechnik verstrickt sind. Über die Emission von Unternehmensanleihen oder Kreditvergaben versorgen sie diese mit immer neuen Finanzmitteln und unterstützen so die Entwicklung, Modernisierung und Wartung nuklearer Waffensysteme“, beklagt Barbara Happe von urgewald. Die Studienergebnisse zeigten, so Happe, die Grenzen der eigenen internen Rüstungsrichtlinien deutscher Geldhäuser. Diese müssten dringend nachgebessert werden.

Die deutschen NRO Facing Finance und urgewald fordern seit Jahren ein entschiederenes politisches Vorgehen gegen Geschäfte mit kontroversen Waffenherstellern (Streumunition, Landminen und Atomwaffen). „Die Bundesregierung hat das Ziel ‚Global Zero’ (atomwaffenfreie Welt) ausgerufen und verpflichtet sich im ‚Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen’ (NVV) dazu, zur allgemeinen und vollständigen nuklearen Abrüstung beizutragen. Dem kann sie aber nur nachkommen, wenn sie auch deutschen Geldhäusern jedwede Finanzdienstleistungen für Hersteller von Nuklearwaffentechnologien gesetzlich untersagt“, argumentiert Thomas Küchenmeister, geschäftsführender Vorstand von Facing Finance e.V., einer deutschen Mitgliedsorganisation der internationalen ICAN-Kampagne.

Küchenmeister verweist zudem auf eine strafrechtliche Problematik: „Die zuständigen deutschen Ermittlungsbehörden müssen prüfen, ob nicht im Einzelfall die Finanzierung von Atomwaffenherstellern sogar gegen §19 des Kriegswaffenkontrollgesetzes verstößt.“ Der Artikel 19 untersagt die Unterstützung der Entwicklung, Herstellung oder den Handel mit Atomwaffen.

Im Rahmen einer Aktionswoche (27.9. – 04.10.2014) der Kampagne „Atomwaffen – ein Bombengeschäft“ forderten ICAN Deutschland und IPPNW-Deutschland v.a. die Commerzbank auf, sich aus dem Geschäft mit kontroversen Waffen zurückzuziehen. „Deutsche Finanzdienstleister müssen aufhören, Unternehmen zu unterstützen, die Atomraketen oder atomwaffenfähige U-Boote herstellen oder instand halten, denn jeder Cent für solche Unternehmen erhöht das Risiko, dass diese ultimativen Massenvernichtungswaffen künftig noch einmal eingesetzt werden“, warnt Martin Hinrichs von ICAN Deutschland und kündigt weitere umfassende Proteste gegen die „Atombombengeschäfte“ deutscher Finanzhäuser an.

Die Studie sowie weitere Informationen finden Sie unter atombombengeschaeft.de/studie/

Die deutsche Kurzfassung finden Sie unter atombombengeschaeft.de/wp-content/uploads/2014/11/Deutsche-Kurzfassung-Dont-bank-on-the-bomb.pdf

Kontakt: Angelika Wilmen, Pressesprecherin der IPPNW, Tel. 030-69 80 74-15, Xanthe Hall, IPPNW-Atomwaffenexpertin, Tel. 030-6980 74 -12, Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW), Körtestr. 10, 10967 Berlin, www.ippnw.de, Email: wilmen@ippnw.de