Somalia: Parlament verbietet Einmischung der Ausländer – Konferenz in Kopenhagen

Mogadischu befindet sich im tiefsten Bürgerkrieg. Ein Minister oder Parlamentsmitglied nach dem anderen wird hingerichtet. Vierzehn Minister forderten den Premier vor vier Tagen am 16.November auf, innerhalb vierundzwanzig Stunden zurückzutreten. Am gleichen Tag reisten Delegationen aus den Truppen stellenden Ländern und den Geberländern nach Mogadischu. „Die internationale Gemeinschaft ist der Ansicht, der Ministerpräsident hat das Büro zu verlassen“, hiess es.

Zweitägige Konferenz in Dänemark

Die internationale „Wertegemeinschaft“ ist aber bisher relativ zufrieden mit den Ergebnissen.

Vom 19. bis 20.November 2014 fand in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen eine Spitzenkonferenz unter der Schirmherrschaft der Organisation der Vereinten Nationen über die politischen Fortschritte in Somalia statt, an der fünfundfünfzig Delegationen aus verschiedenen Nationen teilnahmen.

Auf diesem Treffen, genannt das „Partnerschaftsforum“ an dem die Bundesregierung von Somalia, Vertreter der Organisation der Vereinten Nationen und die internationalen Geldgeberländer teilnahmen, wurden die umgesetzten Vorgaben der gesetzten Ziele des „New Deal for Somalia“ (oder „New Deal Somali Compact“) ausgewertet, die auf der letzten Zusammenkunft in Brüssel im vergangenen Jahr mit sechsundfünfzig Delegationen vereinbart wurden.

Eine, und zwar die bedeutenste Führungselite dieses Planeten, reiste nicht an. Just am 19.November platzte Fox News mit der Botschaft „The UN gave millions to Somalia. Where did it go?“ heraus, dass laut internen Wirtschaftsprüfern seit Jahren Unsummen an U.N.O.-Geldern für Somalia unkontrolliert an Nichtregierungsorganistionen ausgegeben wurden. Die U.S.A. hatten schon im Vorfeld angekündigt, nicht an der Konferenz in Dänemark teilzunehmen und ihre Entwicklungshilfe für das Land einzustellen. Als Grund wird ironischerweise die anhaltende Gewalt und Verstösse gegen Menschenrechte genannt. Der Staatenbund in Amerika, der grösste Waffenlieferant und das von ihm kritisierte Land im Osten Afrikas als Empfänger dieser Warensendungen haben eine „herausragende“ Gemeinsamkeit: beide Länder haben gemein, die Konvention der Anerkennung der Rechte der Kinder als Menschenrecht bis heute nicht ratifiziert zu haben.

Die Einmischung der „Internationalität“ führte zu noch mehr Chaos

Somalia ist hoffnungsloser unregierbar als zuvor, die Aussichten für die Zukunft sind mehr als düster. Hassan Sheikh Mohamud, Präsident von Somalia und Premierminister Abdiweli Sheikh Ahmed stehen sich in zwei Lagern unversöhnlich gegenüber. Jede Woche sind hochrangige Tote bei Anschlägen in Mogadischu zu beklagen, die von westlichen Medien den „Terrorgruppen“ nach altem Muster zugeschrieben werden, was bis heute sämtlichen Ländern erlaubt, ihre Kriegsmaschinerie nach Gutdünken einzusetzen.

Am 10.Oktober 2014 wurden Anschuldigungen gegen die Regierung in London von der U.N.O. erhoben, in illegale Waffengeschäfte mit militanten Gruppen verwickelt zu sein, die über eine britische Ölgesellschaft in Somalia liefen, die zwölf Lizenzen für Explorationen erhielt.

Bundeswehr in Mogadischu

Es stellt sich hier die Frage, was die Bundeswehr in diesem ostafrikanischen Land zu suchen hat, die durch Mandat des Bundestages seit diesem Jahr in Mogadischu ein Lager bezogen hat. Die Bewilligung des Einsatzes verstösst nach wie vor gegen das Grundgesetz, auch wenn von juristischen Fachexperten und vor allem reaktionären Kräften in der Bundesregierung das Gegenteil behauptet wird.

Im Artikel 24 Grundgesetz heisst es:

(2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.

(3) Zur Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten wird der Bund Vereinbarungen über eine allgemeine, umfassende, obligatorische, internationale Schiedsgerichtsbarkeit beitreten.

Eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates mit militärischer Hilfe, die sogar verboten ist, oder eine asymmetrische Kriegsführung, wie sie in Somalia stattfindet, ist nicht von unserer Verfassung gedeckt. Das Mandat beruft sich aber auf Artikel 24 und ist somit verfassungswidrig.

In Somalia herrscht ein von den Zeitungen nicht weg zu retuschierender offener Bürgerkrieg. Die teilnehmenden Parteien kommen aus dem Spektrum, welches wie überall um die Macht im Staat kämpft. In den westlichen Demokratien laufen diese Ambitionen nur auf subtilerer, „zivilerer“ Ebene ab.

Somalia hält mit seiner strategischen Lage eine der wichtigsten globalen Schlüsselpositionen inne. Demzufolge wird unter ausländischer Beihilfe versucht, diejenigen „Entscheidungsträger“ der Clan-Gesellschaft in wichtige Regierungsämter zu positionieren, auf die entsprechender Einfluss genommen werden kann. Mit Geld, Gütern und vor allem auch im Jahr 2014 immer noch mit der Versorgung von Waffen. Im März 2013 hob die U N.O. teilweise das Waffenembargo auf („Offiziell wieder automatische Sturmgewehre und Panzerfäuste für Somalia“).

Im Gegensatz zu allen voran gegangenen internationalen Konferenzen zu Somalia wurde kein begleitender enormer Medienrummel über „Piraten“ getrieben um das Engagement in dem Land zu untermauern. Dabei ist das Interesse keineswegs erloschen, in Afrika wird schliesslich die „wirtschaftliche Existenz und Sicherheit Deutschlands garantiert“, wie auch der Bundespräsident voller Überzeugung immer wieder betonte.

Sehen wir uns die desolate politische Landschaft in diesem Jahr an, die die Bundeswehr im Verein mit anderen Staaten so heldenhaft hegt und pflegt.

Der somalische Präsident Hassan Sheikh Mohamud und sein Premierminister Abdiweli Sheikh Ahmed und ihre Parteigänger zerfleischen sich im wörtlichen Sinn bis auf die Knochen. Gegner und Kritiker beider Seiten werden brutal aus dem Weg geräumt.

Am 17.November 2014 wurde ein gebürtiger somalischer Professor für urbanen Städtebau aus den U.S.A. in Mogadischu auf offener Strasse von vier bewaffneten Tätern erschossen. Die Tat wurde Al-Shabab zugesprochen, was von Familienangehörigen und einigen Stadtteilführern bestritten wird. Sie glauben, dass ein versuchter Raubüberfall, ein Auftragsmord oder eine andere Erklärung zutreffender sei. Natürlich wurde am 17.November passenderweise das Geheimdienstgespenst „Die Weisse Witwe wieder hervor gebuddelt „White Widow alive and well in Somalia“, eine Fata Morgana aus dem Anschlag in Kenia.

General Mohamed Sheikh Ismail, Chef der Bundespolizei, wurde am 1.November wahrscheinlich „unter mysteriösen Umständen“ vergiftet. Binnen Minuten verstarb der General nach Einnahme eines Menüs mit Freunden.

Am 23.Juli wurde mit Saado Ali Warsame ein viertes Parlamentsmitglied seit Anfang des Jahres erschossen. Am 1. August wurde Sheikh Aden Mader, Vorsitzender des Finanzausschuss des Parlamentes umgebracht. Am 12.Oktober erfolgte ein Anschlag auf den Direktor des Fernsehsenders „Somali Channel TV“, am 15.Oktober gab es einen Bombenanschlag, bei dem ein Geheimdienstoffizier ums Leben kam. Nun macht der Tod eines Journalisten Schlagzeilen.

Das sind nur einige sehr wenige Beispiele der politischen Gewalt, die in Mogadischu herrscht, die von in- und ausländischen Rivalen organisiert wird und alle unter dem Label „Terroristen“ laufen.

Parlamentssprecher macht Ausländer mit verantwortlich

Gestern, am 20.November verbat sich Parlamentspräsident Mohamed Osman Jawari in Mogadischu bei einem Treffen mit Mitgliedern der Zivilgesellschaft und der politischen Parteien ausdrücklich jede Einmischung des Auslandes in die inneren Angelegenheiten seines Landes: „Das Haus des Volkes hat die Kraft, die interne Kluft zwischen Präsident und Ministerpräsident zu schliessen und sieht keine Notwendigkeit für eine ausländische Intervention. Jeder Versuch der internationalen Gemeinschaft, sich in die Innenpolitik Somalias einmischen wird unwillkommen sein. Das Parlament wird es lediglich begrüssen, wenn Hinweise von den Freunden von Somalia gegeben werden, aber das bedeutet nicht, es als eine Richtlinie aufzufassen, die sagt, was zu tun und was zu lassen ist.

Wenn sie (die Ausländer) etwas Gutes zu sagen haben… dann sind sie willkommen, aber ich bekräftige, dass die Auflösung dieser internen Differenzen Aufgabe des Parlaments ist.“

Das Gleiche würde auch für unseren Staat gelten. Somalia ist souverän und keine Kolonie, die allerdings als solche behandelt wird.

Resümee der Konferenz in Kopenhagen

In Kopenhagen wurde ein vierundzwanzig Punkte umfassendes Kommuniquee verabschiedet, das wie alle dieser Art „good governance“ fordert, die Abhängigkeit vom Internationalen Währungsfond, der Weltbank, U.N.O.-Fördertöpfe, ein Aufsichtsgremium „Inter-Regional Consultative Forum“ (IRCF) für die Wahlen in 2016, das von internationlen Partnern unterstützt und finanziert wird.

Am 27.Oktober eröffnete die Weltbank zum Ausverkauf der Liegenschaften und staatlichen Strukturen ihr erstes Büro in Mogadischu für den „Multi-Partner Fund for Somalia“ seit der Schliessung der Filiale in 1991, unter anderem zur Finanzierung und dem Managemet des „Recurrent Cost and Reform Financing project“ (RCRF).

Es wird viel von erreichten politischen Fortschritt in dem „Communique“ geschrieben und an die Einigkeit des Landes in den Provinzen appelliert, um die „Vision-2016“ umzusetzen. Im militärischen Bereich werden die positiven Entwicklungen der Vorgaben des „London Security Event“ der somalischen Armee S.N.A. und der von den U.S.A. initiierten berüchtigten A.M.I.S.O.M.-Truppe hervorgehoben, deren rekrutierte Soldaten samt Waffen die Seiten wechseln so wie es auch in Afghanistan oder dem Irak zu beobachten war.

Entsprechend Lob heischend fällt auch die Rede des somalischen Präsidenten aus, der von den Geberländern abhängig ist – der Partnerschaft mit der internationalen Gemeinschaft: „Seit Jahrzehnten war Somalia das Synonym für Piraten, Terroristen und vollständige Gesetzlosigkeit. Aber diese Somalia existiert nicht mehr. Das ist ein Somalia von gestern, und definitiv nicht das Somalia von morgen….. Die Partnerschaftsprinzipien müssen vollständig umgesetzt werden.“ Von der U.N.O. gab es vor einem Monat zum Thema die passende Begleitmusik.

So, weshalb hören wir nichts von der Kopenhagener Somalia-Konferenz? Doch wohl nicht nur, weil die Vereinigten Staaten von Amerika nicht mehr dort an Bord sind? Ist es zu peinlich, gilt es etwas zu verbergen? Ansonsten wird doch bei derartigen Zusammenkünften dringliche Truppenaufstockung gefordert wie in Afghanistan, Mali oder Syrien.

Deutschland finanziert über Entwicklungshilfe diesen Staat. Über interne weiterreichende militärische Hilfe als die offiziell angegebene kann nur spekuliert werden. Die Bürger haben ein Recht darauf, welche Projekte unter wessen Verantwortung ihre Regierung auch in Zukunft unterstützt.

Der Bundestag hat jeder Zeit das Recht, das bis zum Januar 2015 erteilte Mandat für die Bundeswehr vor Ablauf der Frist zu beenden. Die Zeit ist jetzt.

Noch einmal die dringliche Frage: Was hat die Bundeswehr in Mogadischu zu suchen? Ausbildung von Polizisten und Führungspersonal ist unter diesen Umständen eine Verlängerung der Instabilität in diesem Land. Die Einbindung in eine militärische E.U.-Aktion oder U.N.O.-Resolution ist kein verbindlicher Massstab für diesen ewigen Krieg um Öl und Macht über andere Länder.

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Quellen:

http://america.aljazeera.com/opinions/2014/11/convention-rightschildunitednations.html
http://www.hiiraan.com/op4/2014/oct/66888/put_up_job_for_copenhagen_conference_on_somalia.aspx
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/49965563_kw12_sp_bundeswehr_somalia/216438
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/008/1800857.pdf
http://www.raxanreeb.com/2014/11/somalia-parliament-speaker-says-the-house-of-the-people-has-the-capacity-to-resolve-internal-rift-between-president-pm/
http://www.mareeg.com/somalia-the-communique-of-the-high-level-partnership-forum-in-copenhagen/
http://www.raxanreeb.com/2014/11/somalia-somali-presidents-keynote-speech-hlpf-copenhagen/
http://www.washingtonpost.com/world/africa/officials-say-us-threatens-aid-cuts-to-somalia/2014/11/14/b0bfcbf4-6c13-11e4-bafd-6598192a448d_story.html