C.I.A.-Bericht: Hintergründe und Klarstellungen

Zur gestern vom Geheimdienst-Hauptausschuss des U.S.-Senats („United States Senate Select Committee on Intelligence“, meist S.S.C.I. abgekürzt) veröffentlichten „Studie über das Gefangenen- und Verhörprogramm der Central Intelligence Agency“ („Study of the Central Intelligence Agency‘s Detention and Interrogation Program“) und dessen Präsentation durch die Ausschuss-Vorsitzende Dianne Feinstein gilt es einiges festzuhalten. Nützlich für Leserinnen und Leser, die sich tatsächlich mit dieser Thematik auseinandersetzen wollen, ist die Vorgeschichte. Dazu unser Artikel zur Rede von Dianne Feinstein vor dem Senat am 11. März 2014, in der die Ausschuss-Vorsitzende u.a. die Überwachung ihres Mitarbeiter-Stabs durch die C.I.A. öffentlich machte.

Hier Dianne Feinsteins Offenbarungseid Teil 2, vom gestrigen Tage:

Nun ein paar Klarstellungen zur gestern veröffentlichten S.S.C.I.-Studie bzw dem C.I.A.-Bericht:

– der veröffentlichte Bericht ist eine, durch die C.I.A. selbst zensierte und teilweise geschwärzte, Zusammenfassung des 6300 Seiten langen Berichts des Senats-Geheimdiensteausschusses vom Dezember 2012, den dieser bis heute geheim hält.

– jedes bisschen Information im Senats-Bericht stammt von der C.I.A. selbst. Irgendeine Untersuchung, Kontrolle oder eigenständige Ermittlung im Sinne der Gewaltenteilung, etwa durch unangekündigte Verhöre, Durchsuchungen, Festnahmen, etc, fand nicht statt. Sie hat, (nicht nur) was die C.I.A. angeht, noch nie stattgefunden.

– der zuständige Geheimdienst-Ausschuss und ihre Vorsitzende Feinstein erfuhr von den Praktiken der C.I.A. durch den damaligen leitenden C.I.A.-Direktor Michael Hayden, im Jahre 2006. Das heißt, der Ausschuss erfuhr das, was er hätte wissen müssen, von denen die er angeblich kontrollierte. Danach unternahmen Feinstein und der Senat, was sie bereits (mindestens) vier Jahre lang vorher getan hatten: nichts.

– Mit dem S.S.C.I.-Bericht wurde erst nach Amtsantritts von Präsident Barack Obama und dem von ihm ernannten neuen C.I.A.-Direktor Leon Panetta begonnen, Mitte 2009. Also knapp acht Jahre nach Beginn des Terrorkrieges und der praktisch unbegrenzten Handlungsfreiheit der C.I.A. durch die folgenreichsten Attentate seit dem Reichstagsbrand, die sie hätte verhindern müssen.

– der Bericht des Senats-Ausschusses entsteht ab Mitte 2009 in einem Gebäude der C.I.A. irgendwo in der Pampa Virginias, mit Technikern der C.I.A. (“fast alle” irgendwelche “contractors”, also Programmierer irgendwelcher Konsortien und / oder Kriegskonzerne) und an Computersystemen der C.I.A. Im Februar 2010 verschwinden aus den Unterlagen des Ausschuss-Stabes “870 Dokumente oder Seiten von Dokumenten” und Mitte Mai 2010 nochmal 50 “Dokumente oder Seiten”. Andere Dokumente tauchen plötzlich auf. Weder Feinstein noch ihr Stab haben irgendeine Ahnung oder gar Kontrolle. Dafür lassen sie Ende 2012 sämtliche Unterlagen und Informationen, die sie für ihren 6300 Seiten langen Bericht verwendet haben, in der C.I.A.-Anlage. Anschließend entzieht die C.I.A. dem Senat der Vereinigten Staaten den Zugang zu dessen eigenen Unterlagen, der diese offenbar nicht einmal in Kopie vorliegen hat. Daraufhin fahren die Mitarbeiter des Senats-Ausschusses wieder zurück in die C.I.A.-Anlage und nehmen von dort mit, was sie von der C.I.A. überhaupt noch ausgehändigt bekommen. Dass die informationstechnischen Systeme des Senatsausschuss-Stabes in der C.I.A.-Anlage von der C.I.A. „durchsucht“ wurden (Surprise, Surprise) erfährt Dianne Feinstein am 15. Januar 2014 durch – na wen wohl? – C.I.A.-Direktor John Brennan.

– aus den „Verhörmethoden“, der Folter durch C.I.A., ihre kollaborierenden Psychologen (die mit Millionenbeträgen profitierten und sogar eigene Firmen gründeten) und schlichten Kerkermeister und Schinder, ergaben sich nicht „kaum“ relevante Informationen, sondern keinerlei relevante Informationen. Die Folter war, sogar nach den Maßstäben der C.I.A. selbst, vollkommen sinnlos, nutzlos, wertlos.

In der gestern, am 9. Dezember 2014, veröffentlichten zensierten und geschwärzten Zusammenfassung des seit Ende 2012 vorliegenden geheimen Senats-Berichts, werden 20 Fälle angeblicher „Erfolge“ der C.I.A. durch die angewandte Folter an Verdächtigen erwähnt. Alle entpuppten sich beim genauen Hinsehen als erlogen.

Dianne Feinstein dazu gestern, in bekannt diplomatischer Sprache:

„Jedes dieser Beispiele wurde in fundamentalen Aspekten als falsch befunden. In einigen Fällen gab es zwischen dem behaupteten konterterroristischen `Erfolg` und irgendeiner Information eines C.I.A.-Gefangenen, die von diesem während oder nach dem Gebrauch erhöhter Verhörtechniken der C.I.A. zur Verfügung gestellt worden waren, keinen Zusammenhang. In den verbleibenden Fällen stellte die C.IA. ungenau dar, das  von einen C.I.A.-Gefangenen einzigartige („unique“) Information als Resultat der erhöhten Verhörtechniken gewonnen worden war, während diese in Wirklichkeit a) von einem C.I.A.-Gefangenen vor Anwendung der erhöhten Verhörtechniken stammte oder b) bereits der Geheimdienst-Gemeinde („intelligence community“) aus anderen Quellen als dem C.I.A.-Gefangenen vorliegenden Informationen bestätigten und daher nicht einzigartig oder `sonst nicht beschaffbar´ („otherwise unavailable“) waren, was der Standard für Effektivität war den die C.I.A. gegenüber Justizministerium und Politikern präsentierte.“

Was Dianne Feinstein hier bewusst weglässt, ist das, was sie in ihrem Offenbarungseid am 11. März noch andeutete: die Formulierungen „otherwise unavailable“, sowie „intelligence community“ (ein bizarrer, quasi-religiöser Begriff) entstammen Executive Order 12333 von Ronald Reagan, von diesem unterschrieben am 4. Dezember 1981, knapp ein halbes Jahr nach einem fast tödlichen Attentat gegen ihn und zu Zeiten des Vizepräsidenten George Bush Senior, ehemals Chef der C.I.A.

In Präsidentenbefehl 12333 (hier mehr über die in der U.S. Consitution nicht vorkommenden „Executive Orders“ des Präsidenten) ermächtigte Ronald Reagan die C.I.A. in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei “ausländische Geheimdienstinformationen oder Informationen zur Spionageabwehr innerhalb der Vereinigten Staaten” zu sammeln (“collection of foreign intelligence or counterintelligence within the United States”), sowie zur “Spionageabwehr” (“counterintelligence”) auch im Inland auch aktiv zu operieren, ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei. Allgemein wurde die CIA dazu ermächtigt “besondere Aktivitäten” durchzuführen, die lediglich vom Präsidenten vorher genehmigt werden mussten, sowie bei Auslandsoperationen durch andere US-Stellen “sonst nicht beschaffbare Information” (“information not otherwise obtainable”) zu besorgen.

Was Dianne Feinstein nun bereits am 11. März in ihrer brisanten Enthüllung der Spionage seitens C.I.A. gegen den Senat erwähnte und nun gestern mit keinem Wort mehr: die C.I.A. brach sogar Executive Order 12333. Von Völkerrecht, Verfassung und allem was die Menschheit je an Gutem und Schönem je hervorbrachte sowieso ganz zu schweigen.

Executive Order 12333 gilt heute als elementarer Baustein des „Netzwerkes globaler anlassloser Massenüberwachung”, als dessen Teil die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen mit gewohnten zehn Jahren Verspätung auch den Bundesnachrichtendienst identifierte (mit diesen Weltraumtheoretikern will ich mich hier und heute zunächst nicht weiter beschäftigen, genauso wenig mit dem gewissen Nichts namens Bundestag).

Am 29. August 2014 veröffentlichten, angeführt von der “American Civil Liberties Union” und der “Electronic Frontier Foundation”, über 40 Organisationen, 4 Kongressabgeordnete, sowie ehemalige Regierungsbeamte der Vereinigten Staaten von Amerika über accessnow.org einen offenen Brief an ihren amtierenden Präsidenten Barack Obama:

“Wir rufen den Präsidenten dazu auf, alle gegenwärtigen und zukünftigen Rechtsmeinungen (“legal opinion”) oder Interpretationen betreffend der Überwachung unter Executive Order 12333 und den darunter erlassenen überwachungsbezogenen Regulatorien zu deklassifizieren (Anm: die Geheimhaltung aufzuheben) und öffentlich zu machen. Geheimes Gesetz ist eine Bedrohung für die Demokratie.

Wir fordern sowohl den Präsidenten, als auch das Privacy and Civil Liberties Oversight Board dazu auf, eine untersuchende Prüfung der Überwachung unter E.O. 12333 durchzuführen, auf der Deklassifizierung von Information zu bestehen die der Öffentlichkeit helfen würde das Wesen und das Ausmaß dieser Überwachung zu verstehen, und so schnell wie möglich Mechanismen und spezifische Schritte vorzuschlagen um oben gemachte Empfehlungen umzusetzen.”

Auch dieses Begreifen eines fast 33 Jahre alten Textes durch alle etablierten Organsisationen musste letztlich vorher von oben beatmet werden. Es ist diese Unfähigkeit, diese absolute Verblödung der „westlichen Welt“ insgesamt und fast aller ihrer individuellen Repräsentanten und schlichten Untertanen, es ist genau diese in Staat und Gesellschaft wuchernde Ignoranz und Selbstsucht, die sich aus spieltheoretischen Modellen ihre scheinbar rationale, „vernünftige“ Legitimation zusammenideologisiert, die verantwortlich ist für das nun in der zensierten Zusammenfassung eines immer noch geheimen Senats-Berichts durchschimmernde Grauen eines Terrorkrieges, seines in diesem und durch diesen ermächtigten weltweit operierenden Geheimdienstes, samt seiner Ableger, auch in Deutschland, und dessen Kerker, Folterkeller und ausweichlichen Luzifer-Effekt der absoluten Kontrolle.

Die sadistischen Einzelheiten einer Realität von geheimen Kriegsrecht, die in der gestern erschienenen Zusammenfassung lediglich durchschimmerte, möge sich jeder in der üblichen Boulevard-Presse durchlesen, um sich anschließend, im gleichen Atemzug, über den „Verschwörungstheoretiker“ auszulassen wie anno dünnemal in trauter Runde vor dem Scheiterhaufen.

Was mich angeht: mich beglotzen jetzt, in dieser Sekunde, genau die gefährlichen Kranken, die vom Staat dieser Republik außer Funktion nicht auf Terroristen, sondern auf jeden denkenden Menschen mit Einfluss losgelassen worden sind und die seit dem am 4. Oktober 2001 vom Nordatlantikpakt ausgerufenen „kollektiven“ Verteidigungsfall“ – dessen genauer Beschlusstext bis heute ebenso geheim ist wie dessen Interpretation durch die Weltraumtheoretiker (an) der Bundesregierung – zur „Terrorbekämpfung“ der C.I.A. unterstellt sind.

Mein Vorteil gegenüber wahllos von Söldnern in irgendwelchen Kriegsgebieten eingefangenen Opfern (nur 5 % der Lagerinsassen von Guantanamo wurden überhaupt von U.S.-Kräften gefangengenommen) besteht lediglich darin, in einer Stadt zu leben und zu lesen, nach der mittlerweile eine Republik benannt wurde – nämlich diese.

Ich erwarte von keinem Organ oder Funktionär dieses Staates irgendetwas anderes als das maximal Zynischste und Verkommmenste. Nichtsdestotrotz wird sich diese Republik irgendwann von ihnen freischaufeln.

Letzter Punkt.

Wie beschrieben, stammen alle Inhalte des gestern erschienenen Senats-Berichts aus der C.I.A., bzw den dort wirkenden Kräften, Flügeln und Individuen. Dass der Senats-Bericht letztlich erschien, ist wiederum ausschließlich Barack Obama zu verdanken. Gewaltenteilung, Kongress, Gerichtsbarkeit, Öffentlichkeit, Bürgerrechtsorganisationen, haben sich allesamt als ein Haufen Versager erwiesen, wegen denen bis heute in geheimen Kerkern nicht nur der C.I.A., sondern z.B. auch des U.S.-Militärs, eine unbekannte Zahl von Menschen leiden und sterben muss. Wenn sich jetzt zudem, urplötzlich, die Wachkomatösen der Organisation der Vereinten Nationen zu Wort melden, sollten sie allesamt zuerst um Verzeihung flehen, bevor sie auch nur einen Ton von sich geben.

Gestern veröffentlichte das Weiße Haus folgendes Statement Barack Obamas:

„Statt als Anlass alten Streit neu auszufechten, hoffe ich, dass der heutige Bericht uns helfen kann diese Techniken dort zu belassen wo sie hingehören – in der Vergangenheit. Der heutige Tag ist zudem eine Erinnerung daran, dass die Werte hochzuhalten zu denen wir uns bekennen uns nicht schwächer, sondern stärker macht und dass die Vereinigten Staaten von Amerika die großartigste Kraft für Freiheit und die Würde des Menschen bleiben, die die Welt je gekannt hat.“

Sorry, Mr. President, um den Pokal gibt es bereits ein ernstes Wettrennen.

Und die Eine oder der Andere wird hier, in der Berliner Republik, noch unter unseren Wagen geraten.

Rein metaphorisch, natürlich. -.-