Die Rede von Dietmar Meintel, Bürgerinitiative Talheim21, auf der heutigen 256. Stuttgarter Montagsdemo (bemerkenswerterweise ohne geheimdienstlich initiierte Aufhebung des Versammlungsrechts) der Bürgerbewegung gegen das staatlich-kommerzielle Umbauprogramm „Stuttgart 21“ (S21). Die Rede trägt den Titel „Stuttgart 21 zerstört das Land: Beispiel Talheim 21“
Hiermit möchte ich mich zuerst einmal für die Einladung zu dieser Veranstaltung ganz herzlich bedanken und mich kurz vorstellen: Mein Name ist Dietmar Meintel und ich bin Sprecher der Bürgerinitiative Talheim 21.
Wie schon bei der Ankündigung durch Norbert Bongartz gesagt, komme ich aus Talheim, einem Stadtteil von Horb. Dieses Dorf liegt eingebettet an dem kleinen Flüsschen Steinach und ist sehr ländlich geprägt. Durch den sehr schmalen Ortskern führt eine relativ kleine Straße mit einer Breite von teilweise gerade mal 5-6 Meter Breite und teilweise sind nicht mal Gehwege auf beiden Straßenseiten vorhanden. Das Dorf besteht aus zwei Ortsteilen, welche jeweils mit dem alten, sehr schmalen Ortskern und oberhalb auf dem Berg mit zwei Neubausiedlungen bebaut sind. Insgesamt leben 2.600 Bürger in der gesamten Gemeinde. Wir haben eine Grundschule sowie 2 Kindergärten.
Eigentlich kann man zusammenfassend sagen, hier handelt es sich um ein Dorf, welches sich einen alten Charme durch die ehemaligen kirchlichen und landwirtschaftlich geprägten Umgangsformen gebildet hat und in welchem das Leben eigentlich noch lebenswert ist. Die Leute gehen überwiegend zum Daimler oder in die Nachbarstädte zum Schaffen. Kleinere handwerkliche Betriebe sind vorhanden. Im ehemaligen Steinbruch wurde über 70 Jahre lang Stein abgebaut, doch seit 2004 ist auch dies Geschichte. Ja, seit 2006 ist der Steinbruch geschlossen und die Renaturierung abgeschlossen. Ein zwischen dem Steinbruchbesitzer und der Stadt Horb grundbuchrechtlich eingetragener Vertrag regelt, dass hier weder ein LKW mit Schottermaterial heraus oder gar nochmals ein LKW mit irgendwelchem Auffüllmaterial hier eingefahren werden darf.
Zwischenzeitlich hat sich die Natur wieder zurückgeholt, was vom Menschen zerstört wurde. Seit mehreren Jahren haben wir in dem Steinbruch viele geschützte Tierarten. So lebt und brütet hier z.B. der Uhu und verschiedene Echsen und Vogelarten. Sogar als Biotop sind Teile des Geländes kartiert.
Auf den ersten Blick Idylle und Lebensparadies. Wäre da nicht die Baumaßnahme Stuttgart 21.
Ein Bauprojekt, welches alle bisherigen Sicherheiten durch den Vertrag sowie alle Versprechen vom ehemaligen Betreiber plötzlich nicht mehr gelten lässt. Eine Baumaßnahme, welche die Ruhe und die Lebensqualität in unserem Dorf ebenso zerstört, wie auch in Stuttgart oder anderen Gemeinden in Baden-Württemberg. Eine Maßnahme welche gravierende Veränderungen für Menschen, Tiere sowie die Umwelt mit sich bringt:
• in Talheim durch die jetzt aktuell anstehende Baumaßnahme ‚Auffüllung des ehemaligen Steinbruches mit Aushubmaterial von S 21‘, über einen vorläufig geplanten Zeitraum von fünf Jahren mit von morgens bis spät abends schwer beladenen LKW`s,
• in Stuttgart mit noch größeren Problemen nicht nur durch die Abfuhr, sondern durch die unsinnigen Tiefbaumaßnahmen selbst.
Ja, es ist richtig, dass die große Mehrheit der Bürger von Talheim bei der Abstimmung über den Bau von Stuttgart 21 für den Bau gestimmt hat. Aber es ist auch richtig dass die überwiegende Anzahl der Bürger gar nicht bei der Abstimmung war. Und es ist doch sicherlich auch richtig, dass wir alle, ob die Bürger von Stuttgart oder von Talheim oder sonst woher auch immer, hier einer politischen Täuschung und einem Durchdrücken von Interessen, also nach dem Motto „Geld regiert die Welt“, aufgesessen sind.
Auch muss bei dieser Gelegenheit erwähnt werden, dass sich die politischen und kommunalen Entscheidungsträger Gedanken darüber machen sollten, ob es sich wirklich lohnt, dass Prestigeobjekte wie Stuttgart 21, koste es was es wolle, auch auf Kosten der Umwelt und zu Lasten von Gesundheit und Leben wirklich durchgedrückt werden müssen.
Was es bedeutet, dass Geld die Welt regiert, das bekommen wir jetzt sogar in Talheim zu spüren:
1) Die Bürgerinitiative wird gezielt verleumdet, es wird uns die Zerstechung von Reifen des ehemaligen Steinbruchbetreibers vorgeworfen, und es wird uns vorgeworfen, dass wir Mitglieder des Ortschaftsrates sowie sogar deren Kinder bedrohen würden. Dass das alles ausnahmslos Lügen sind, das ist sicher.
2) Unsere Mitglieder der Bürgerinitiative haben innerhalb einer starken Woche über 1.200 Unterschriften von den Bürgern, welche gegen die Auffüllung sind, gesammelt. Alles Unterschriften von wahlberechtigten, volljährigen Bürgern von Talheim.
Aber Geld regiert die Welt, und das Engagement von Mitgliedern der Entscheidungsgremien, sich zum Thema Informationen vor einer Abstimmung zu holen und sich über die Themen zu informieren, das haben wir gelernt, das ist nicht vorhanden. Was hier auch noch dazu kommt, das sind politische Bildungen. Fraktionszwang oder gezielte Beeinflussung. Auch über die räumliche Weite einer Bürgerabstimmung in Bezug auf tatsächliche Betroffenheit sollte mal eine Diskussion statt finden.
Jetzt aber zurück zum Talheimer Problem.
Wie ich ihnen ja schon gesagt habe, Talheim liegt in einem Tal und der Steinbruch liegt inmitten des Dorfes, aber auf der ‚falschen‘ Seite. Alle LKW müssen, egal ob bei der An- oder Abfahrt zum Steinbruch, zuerst einen Berg hinunter und dann wieder rauf. Dazwischen liegt unser Dorf mit einer die Breite von ca. 200 Meter. Die Kinder müssen auf dem Weg zum Kindergarten sowie zur Grundschule die von den LKWs befahrene Straße queren, ebenso die Kinder, die zu den Schulbussen müssen. Bedingt durch die steilen Abfahrten und das enge Dorf müssen die Fahrzeuge auf jeder Seite zwei Serpentinen befahren. Innerhalb dieser Serpentinen ist ein Begegnungsverkehr nicht möglich. Die LKWs müssen bei Gegenverkehr jeweils vorher anhalten.
Hier ist also täglich Stress, Feinstaubbelastung und vor allem starker Krach und extreme Verschmutzung zu erwarten. An Ruhe und ein Leben in bisheriger Form ist nicht mehr zu denken. Aber das alles kennen Sie ja selbst in Stuttgart. Alles wurde vorher beschönigt und wenn man jetzt die aktuellen Werte ansieht, ich kann nur sagen, Geld regiert die Welt.
In unserem Dorf haben wir seit Jahren plötzliche Setzungen, also ein Absacken z.B. von Straßenteilen in der Schietinger Straße. Hinter vorgehaltener Hand spricht man von Veränderung von Wasserläufen, was durch den Steinbruch kommen soll. Es sind Ängste vorhanden, was noch alles passieren wird. Was vielleicht passiert, wenn mit Gipskeuper versetztes Material eingebaut wird. Die Häuser im Ortskern von Talheim sind praktisch unverkaufbar geworden. Aber diese Probleme kennen Sie
auch schon in Stuttgart. Wir Talheimer hoffen und beten darauf, dass wir es noch schaffen, dieses wahnsinnige Projekt zu verhindern.
Wir hoffen darauf, dass sich die Entscheidungsträger, egal ob in Horb oder in Stuttgart, wirklich sich nochmals objektiv überlegen, ob es richtig ist, dieses Projekt in allen Formen und Varianten durchzudrücken, egal wie hoch die Schäden für Mensch und Umwelt sind und egal mit welchen Folgekosten die nächsten Generationen zu leben haben.
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