„BND operiert ohne Rücksicht auf das Grundgesetz“: Bundestagspetition gegen nochmalige Erhöhung des Spionage-Budgets

Seit Mitte der 90er Jahre betreibt die Regierung, per einfacher Verordnung, eigene Spionage-Einrichtungen bei allen großen Telefongesellschaften, Funkanbietern bzw späteren Internet-Versorgern / Providern in der Republik. Diese wurden zu Geheimhaltung und Verschwiegenheit verpflichtet. Spätestens mit Inkrafttreten der zweiten Version der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) Mitte 2002 wurde daraus eine Infrastruktur der Totalüberwachung, über welche die Regierung – maßgeblich durch den Bundesnachrichtendienst – eine “strategische Überwachung der Telekommunikation” auch der Bevölkerung im Inland betreibt.

Nachdem nun Ende letzten Jahres eine Petition gegen die abermalige Erhöhung des Bundesnachrichtendienst-Etats durch den Petitionsausschuss des Bundestages (in dem alle Parteien vertreten sind) verschleppt und sabotiert wurde, genehmigte der Petitionsausschuss schließlich in 2015, unter viel Gewimmer und Gebrumm, doch noch eine Petition gegen die abermalige Erhöhung der staatlichen Alimentierung für die zentrale Organisation des Spionage-Apparats in der Republik. Zur Zeichnung der Petition ruft u.a. der 1987 unter dem Namen „Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs“ gegründete Verein Digitalcourage auf, Nukleus des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung und Initiator der jährlichen „Freiheit statt Angst“ Demonstrationen.

Der Text der Petition:

„Der Deutsche Bundestag möge beschließen, für den Bundeshaushalt 2016 die Etat-Mittel für den BND auf den Stand von 2012 zurückzuführen.“

In der Begründung der Petition heisst es:

„Der BND hat sich als Behörde erwiesen, die sich nicht durch parlamentarische Gremien kontrollieren lässt. Drei Verfassungsexperten haben im NSA-UA festgestellt, dass der BND ohne Rücksicht auf das Grundgesetz operiert. Die in Artikel 10 GG festgeschriebene Einschränkung der Unverletzlichkeit des Post- und Fernmeldegeheimnisses stellt bereits einen Eingriff in die Menschenrechte dar., der laut G10-Gesetz nur zum „Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ erlaubt ist und von der Volksvertretung kontrolliert werden muss. Bundesregierung und BND verhindern zur Zeit jeden Ansatz einer Kontrolle, insbesondere bei der Überwachung des Internet-Datenverkehrs.

Die BND-Etat-Erhöhungen 2013-2015 haben zu einer Verbesserung der Überwachungsfähigkeit im Internet, insbesondere bei sozialen Medien, geführt. Die Fähigkeiten zum Abfangen, Speichern und Analysieren großer Datenmengen wurden ausgebaut. Der Bundestag und seine Gremien können bereits jetzt die vorgeschriebene Kontrollfunktion nicht wahrnehmen. Eine Ausweitung der Überwachungsfähigkeiten des BND durch vergangene Etat-Erhöhung hat diesen verfassungswidrigen Zustand weiter zementiert.

Ferner ist Deutschland, mit den Fähigkeiten des BND, mittelbar Beteiligter im völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg der USA gegen den Terror. Zur Zielerfassung mutmaßlicher TerroristInnen wurden u.a. vom BND bereitgestellte Daten verwendet. Die Menschenrechtsorganisation “Reprieve” rechnet für die Zeit von 12/2002-12/2014 in Pakistan/Jemen mit 1.147 durch Drohnen getötete ZivilistInnen. Nur bei 41 weiteren getöteten “Zielpersonen” wird die Möglichkeit vermutet, dass sie “feindliche Kämpfer” sein könnten. An den Verstößen gegen grundlegende Menschenrechte ist Deutschland damit über den BND beteiligt.

Gleichzeitig zeigt die Bundesregierung kein Interesse daran, das völkerrechtswidrige Vorgehen zu stoppen, die parlamentarische Kontrolle auszubauen und die Tätigkeiten des BND auch für BürgerInnen transparenter zu machen. Stattdessen stellt der BND im Rahmen von „Kooperationsverträgen“ zwischen internationalen Geheimdiensten auch Überwachungsmaterial bereit, um am weltweiten Austausch von Geheimdienst-Daten teilnehmen zu können.

Das Einfrieren des BND-Etats ist ein Beitrag, der Erosion des Grundgesetzes hier Einhalt zu gebieten. Ferner soll dem BND die Fähigkeit genommen werden, sich an völkerrechtswidrigen Kriegen zu beteiligen. Wird der weitere Ausbau der Überwachungsfähigkeit verhindert, haben das Parlament und die Öffentlichkeit entsprechend Zeit gewonnen, um eine ausführliche Debatte über die Aufgaben und die Kontrolltiefe von Geheimdiensten zu führen. Dem Parlament würde die Möglichkeit eröffnet, durch die Verknüpfung der Freigabe von Mitteln mit politischen Maßnahmen, in der Behörde dem Primat des Parlaments wieder Vorrang einzuräumen. Der Ausstieg aus dem Drohnenkrieg gegen den Terror ist ein Gebot von Völkerrecht und Menschenwürde, wobei die Etat-Kürzung dazu beträgt, eben dies zeitnah umzusetzen.“

Die Petition kann noch bis zum 29. April gezeichnet werden.