Ein Paradebeispiel, dass die Abmahn-Abzocker-Mentalität, Internet und höchste Bürgerfeindlichkeit der Stadtbehörde mustergültig vereint, ist der Fall des 25-jährigen Michael Fleischmann und seiner wunderschönen Stadt Augsburg.
(Foto: Sven Janson/Wikipedia)
Michael Fleischmann wollte mit zwei Freunden einen Blog eröffnen, dieser sollte ein Online-Tagebuch über Internet, Technik und öffentliches Leben werden.
Da die drei alle aus Augsburg stammen, kamen sie auf die Idee, diesen „Augsburger“ zu nennen. Der Domainname augsburger.de war schon vergeben und so meldeten sie die Domain als augsburgr.de an.
Um sich mit der Stadt mögliche zukünftige Konflikte zu ersparen, schickte Fleischmann am 5. Oktober 2009 ein e-Mail an die Stadtverwaltung, OB-Referat, von Augsburg
„Wir haben die Domain augsburgR.de im Internet registriert. Um juristische Probleme mit der Stadt Augsburg zu vermeiden, bitten wir um eine schriftliche Genehmigung, diesen Namen verwenden zu dürfen.“
Was tut man als Stadtverwaltung in so einem Fall, wenn eine derartige Bitte um Verwendung eines Namens von einem Bürger gestellt wird? Man könnte das grosszügig genehmigen, niemanden fällt dabei eine Perle aus der Krone. Oder ablehnen – möglichst mit Begründung- wenn es der Stadt nicht passt.
Das wäre eine normale Umgangsform zwischen normalen Menschen. Aber jeder Amtsschimmel muss noch eins draufsetzen in punkto Bürgerschikane, dass scheint die Norm zu werden in diesem Land.
Statt einer Antwort kam am 25. Oktober eine Abmahnung per Anwaltsbrief, die Stadt hatte einen externen Rechtsanwalt beauftragt, der im Namen und im Auftrag der Stadt Augsburg dazu aufforderte, die Domain augsburgr.de sofort zu löschen. (1)
Durch die Benutzung der Domain werde das Namensrecht der Stadt Augsburg verletzt. Fleischmann habe eine „Namensanmassung“ begangen, verwende die Domain widerrechtlich und überhaupt könnten Menschen ja die Stadt Augsburg mit dem Blog augsburgr.de in Verbindung bringen – was so nicht sein dürfe.
Hier würde einem als Betroffener doch glatt die Spucke wegbleiben über diese „höfliche und zuvorkommende“ Behandlung durch die eigene Stadtverwaltung.
„Ich habe die Stadt schriftlich um Genehmigung gebeten, den Namen augsburgr.de benutzen zu dürfen. Erwartet hatte ich darauf ein Ja oder ein Nein. Dass ich stattdessen eine anwaltliche Abmahnung bekomme, fand ich schon sehr erstaunlich.“
zitiert die „Augsburger Allgemeine“ am 23. November den jungen Mann.
Aber diese „Bürgernähe“ soll sich noch als viel aufdringlicher erweisen. Ein paar Wochen später kam die Rechnung für die Abmahnungskosten des Anwaltsbüros:
1890,91 Euro, errechnet aus einem Streitwert von 50.000 Euro.
„Wir weisen darauf hin, dass es sich bei dem angesetzten Streitwert von 50.000,00 Euro um einen entgegenkommend niedrigen Betrag handelt“. Eigentlich seien 100.000 bis 150.000 Euro in solchen Fällen „üblich“.
Was sagt man denn jetzt dazu? Dazu fällt einem nur etwas ein, was eindeutig das Risiko einer nächsten Abmahnung nach sich zieht…
In diesem Land scheint man als Bürger nur gefahrlos die Klippen der behördlichen wildwuchernden Verordnungen und willkürlichen Auslegungen und Ermessensfragen umschiffen zu können, wenn man ein voll ausgebildeter Jurist ist – auf sämtlichen Gebieten, versteht sich.
Joachim Pfeilsticker vom OB-Referat der Stadt, auch Jurist, findet diese Verfahrensweise absolut korrekt. Das muss er sagen, denn vielleicht geht die Inanspruchnahme des Anwaltsbüros auf seine persönliche Entscheidung zurück.
„Er hat uns mit seiner E-Mail Anfang Oktober nicht um Erlaubnis gefragt, sondern uns in Kenntnis gesetzt, als er die Rechtsverletzung bereits begangen hatte. Das war eine Namensrechtsverletzung.
Es handelte sich dabei um sehr spezielle Rechtsfragen. Und es sei auch „recht und billig, dass für die Anwaltskosten der Verursacher aufkommt, nicht der Steuerzahler.“ Die 1890 Euro müsse Blogger Fleischmann also zahlen. „Wir halten den angesetzten Streitwert von 50.000 Euro für sehr moderat.“
Michael Fleischmann wollte aber mit seiner Anfrage per e-Mail gerade vermeiden, dass es mögliche Schwierigkeiten geben könnte.
Es gilt halt das Gesicht für die Stadt zu wahren, nachdem Medien dieses Vorgehen öffentlich machten, in diesem Fall ging ein wahres Gewitter durch das Internet.
Und das hatte Wirkung: um diesen grossen Imageschaden für die Stadt zu begrenzen, schritt der Oberbürgermeister Kurt Gribl ein und erliess Michael Fleischmann die Zahlung der Strafgebühr. (2)
„Rein rechtlich war der Ablauf korrekt. Es lag ein Verstoss gegen Namensrechte vor und wir als Stadt müssen die Rechte an unserem Namen wahren. Mit dieser erheblichen Kostennote sei er jedoch nicht einverstanden. Eine Stadt könne nicht so auf ihre Bürger zugehen. „Ich hätte mir da ein sensibleres Vorgehen gewünscht. Abmahnungen gegen andere Websites werde es vorerst selbstverständlich nicht geben. Hier sollte gegebenenfalls das Gleiche geschehen, was auch im Fall des Herrn Fleischmann hätte passieren müssen – eine interne Prüfung und Abklärung mit dem Betroffenen, ehe man einen externen Anwalt einschaltet.“
Hätte Michael Fleischmann sich nicht an die Öffentlichkeit gewandt, ob der Oberbürgermeister auch so entschieden hätte?
augsburger.de, augs-burg.de, auxburg.de, augsburgre.de – was, wenn diese den Domaininhaber von augsburg.de eine Abmahnung auf Unterlassung der Namensverwendung schicken, oder einer der zahlreichen Herren mit Familiennamen Augsburg, den soll es ja geben?
Da könnte die Verwaltung vor Überraschung in die Augsburger Puppenkiste zu Urmel aus dem Eis springen und den Deckel zuklappen – und hat viel Zeit zum Nachdenken.
Artikel zum Thema
01.10.2009 „Junge Freiheit“ mahnt Blogger ab
Quellen:
(1) http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Lokales/Augsburg-Stadt/Lokalnews/Artikel,-augsburg-mahnt-blogger-ab-namensrecht-231109-_arid,2002269_regid,2_puid,2_pageid,4490.html
(2) http://www.gulli.com/news/stadt-augsburg-mahnt-blogger-ab-1-890-euro-geb-hr-2009-11-24