Letzte Woche hat Daniel Barenboim mein Herz im Sturm erobert. Ihm war vom Weizmann-Institut für Wissenschaften der Ehrendoktor verliehen worden. Als sein Gast hat er mich dazu eingeladen, obwohl wir uns vorher nie begegnet waren. Ich hörte aufmerksam seiner Rede zu, und später redeten wir noch bis spät in die Nacht. Die Gebäude des Instituts waren dunkel, der Maestro nahm zwei Zigarren nach draußen und vier Stühle – für meinen Partner und mich und für seine Frau und sich selbst. Wir saßen stundenlang auf dem Rasen vor dem Gästehaus des Instituts. Wir sprachen über Israel, mein Land, das in tiefen Sinn auch sein Land ist. Er war direkt vom Flughafen gekommen und mit der Morgendämmerung fuhr er wieder nach Berlin zurück. Er ist einer der eindrucksvollsten Persönlichkeiten, der ich je begegnet bin.
Die Feier war festlich, das Essen war ausgezeichnet. Die Honoratioren trugen ihre Barettes und Gewänder, und die Sänger sangen Lieder von Shlomo Artzi und Meir Ariel. Einer nach dem anderen der Honoratioren, sieben Professoren und Philanthropen hielten ihre Reden. Sie priesen das Weizmann-Institut und den Staat Israel – und dann erhob sich der Maestro.
Der Schritt von der verfolgten Minderheit zum Staat ist eine eindrucksvolle Errungenschaft, sagte er. Er verlangt die Schaffung eines neuen jüdischen Portraits, aber Israel fand sich bald in der Situation, eine andere verfolgte Minderheit zu beherrschen. Sein Versagen, die Realität zu akzeptieren, war sein verhängnisvoller Fehler. Es machte aus Opfern Schuldige, sagte er. Der Raum voll Konservativer gab keinen Mucks von sich, obgleich einige in ihren Sitzen hin und her rutschen. „Daniel Barenboim“ weiterlesen