Ein Dokument mit einer Mission

ALS DAVID BEN-GURION am 14. Mai 1948 Israels Unabhängigkeitserklärung (offiziell: „Erklärung der Errichtung des Staates Israel“) verlas, war ich im Kibbuz Hulda.

Meiner Kompanie der (noch unbenannten) israelischen Armee war befohlen worden, in der Nacht das arabische Dorf al-Kubab nahe der Stadt Ramleh anzugreifen. Wir erwarteten einen harten Kampf und ich überprüfte meine Ausrüstung und säuberte mein (in der Tschechoslowakei hergestelltes) Gewehr, als jemand sagte, Ben-Gurion halte eine Rede, die im Speisesaal des Kibbuz im Radio zu hören sei.

Es interessierte mich nicht besonders. Wir waren alle überzeugt, dass das, was ein paar Politiker in Tel Aviv brabbelten, recht nebensächlich für unsere Zukunft sei. Ob unser Staat überleben würde oder nicht, würde auf dem Schlachtfeld entschieden. Die Berufsheere der benachbarten arabischen Staaten waren im Begriff, in den Krieg einzutreten, es würde blutige Schlachten geben und ihr Ergebnis würde über unser Leben entscheiden. Buchstäblich. „Ein Dokument mit einer Mission“ weiterlesen

Diese komischen Antisemiten

ÜBER ANTISEMITEN muss ich lachen. Sie sind so komisch.

Ich weiß, dass viele diese Äußerung für frivol, wenn nicht gar anstößig, halten werden, wenn man all das Schreckliche bedenkt, das Antisemiten die Jahrhunderte hindurch angerichtet haben, darunter den Holocaust. Aber heutzutage sind sie einfach lächerlich.

In dem, was sie glauben. In dem, was sie sagen. Lächerlich.

NEHMEN WIR einmal den ehemaligen Bürgermeister von London Ken Livingstone. Das, was er sagt, ist wirklich blöde. Selbst für einen Politiker. „Diese komischen Antisemiten“ weiterlesen

„Wir“ und „Sie“

NEIN. Nicht „wir“ sind es, sondern „sie“.

Nicht „wir“: die Guten, die Moralischen, die Gerechten. Oder, um es deutlich auszudrücken: die Auserwählten. Die Juden.

Und nicht „sie“: die Schlechten, die Bösen. Um auch dies deutlich auszudrücken: die Verachtenswerten. Ja, die Araber.

Wir, die von Gott auserwählt wurden, weil wir so besonders sind.

Sie, alle die Heiden, die alle möglichen Idole anbeten, sei es Allah oder Jesus.

Wir, die heldenhaften Wenigen, die wir in jeder Generation denen gegenüberstehen, die uns vernichten wollen, wir jedoch retten uns aus ihren Händen.

Sie, die vielen Feiglinge, die uns und unseren Staat töten wollen, und die unser Mut besiegt.

Sie, alle die Gojim, besonders die Muslime, die Araber, die Palästinenser.

Nein, so ist es nicht. Durchaus nicht.

VOR EIN PAAR Tagen hat Jitzchak Herzog etwas besonders Widerwärtiges gesagt. „„Wir“ und „Sie““ weiterlesen

Der andere Gandhi

IM JAHR 1975 wurde ich an der Tür meiner Wohnung mit einem Messer in die Brust verletzt. Der Täter verfehlte mein Herz um Millimeter.

Er wurde von einer mutigen Nachbarin festgehalten und verhaftet. Es schien so, als ob er keine politischen Motive hatte – er war verärgert, weil ich ein Abhörgerät in seinen Kopf gepflanzt hatte.

Während ich im Krankenhaus war, erhielt ich aus London einen Anruf. Es war vom Vertreter der PLO, er übermittelte mir die besten Wünsche von Yasser Arafat. „Der andere Gandhi“ weiterlesen

Das Viereck abrunden

ICH LIEBE den Präsidenten des Staates Israel, Reuven (Rubi) Rivlin. Ich liebe ihn sehr.

Das mag etwas seltsam erscheinen, da er ein Mann der Rechten ist. Er ist ein Mitglied der Likud-Partei. Er glaubt an das, was man im Hebräischen „das ganze Land von Israel“ nennt.

Doch ist er eine sehr menschliche Person. Er ist freundlich und bescheiden. Seine Familie ist seit vielen Generationen in Palästina verwurzelt. Er sieht sich selbst als Präsident aller Israelis, einschließlich der arabischen Bürger.

Ich glaube, dass er eine geheime Verachtung für Binjamin Netanjah und ähnliche hat. Wie wurde er zum Präsidenten gewählt? „Das Viereck abrunden“ weiterlesen

Der Fall des Soldaten A

ALLES MÖGLICHE wurde über den Vorfall, der Israel erschüttert, so scheint es, bereits gesagt, geschrieben, verkündet, bestätigt und abgestritten.

Alles außer der Hauptsache.

BEI DEM Vorfall handelt es sich um „den Soldaten von Hebron“. Die Militär-Zensur gestattet nicht, dass sein Name genannt wird. Nennen wir ihn also „Soldat A“.

Es geschah im Stadtteil Tel Rumeida der Stadt Hebron im besetzten Süd-Westjordanland, wo eine Gruppe äußerst extremer rechter Siedler inmitten von etwa 160.000 Palästinensern lebt, die schwer von der israelischen Armee geschützt werden. Gewalttätige Vorfälle gibt es im Übermaß. „Der Fall des Soldaten A“ weiterlesen

Unter den Linden

EIN BERÜHMTER Vers der deutschen Dichtung lautet: „Und grüß mich nicht unter den Linden“.

Der jüdisch-deutsche Dichter Heinrich Heine bittet seine Geliebte, ihn nicht in der Öffentlichkeit zu „blamieren“, indem sie ihn auf der Flaniermeile Berlins grüßt.

Israel nimmt die Stellung dieser verleugneten Geliebten ein. Arabische Länder haben eine Affäre mit Israel, aber sie wollen nicht mit ihm in der Öffentlichkeit gesehen werden.

Das wäre zu beschämend.

DAS WICHTIGSTE Land in dieser Hinsicht ist Saudi-Arabien. Schon seit einiger Zeit ist das Öl-Königreich ein heimlicher Verbündeter Israels und umgekehrt.

In der Politik übertrumpfen nationale Interessen oft ideologische Differenzen. In diesem Fall ist es so. „Unter den Linden“ weiterlesen

Was geschieht mit den Juden?

PLÖTZLICH ERINNERE ich mich, wo ich das vorher schon (einmal) gesehen habe.

Dieselbe Art von Gesicht, dasselbe vorgeschobene Kinn, um einen Ausdruck von Kraft und Entschlossenheit zu erzeugen.

Dieselbe Art und Weise des Sprechens. Einzelne Sätze und dann eine Pause, und nun auf das zustimmende Schreien der Menge wartend.

Dieselbe Kombination von Monster und Clown.

Ja, unverkennbar. Ich habe dies in meiner frühen Kindheit in der Wochenschau gesehen.

Benito Mussolini. Rom. Piazza Venezia. Der Duce auf einem Balkon. Die Menschenmenge unten auf dem Platz. Außer sich. Applaudiert. Schreit bis sie heißer ist. Eine Massenorgie von Dummheit.

In dieser Woche sah und hörte ich es wieder. Dieses Mal im Fernsehen. „Was geschieht mit den Juden?“ weiterlesen

Mein Terrorist, Dein Terrorist

IST DIE HISBOLLAH also eine terroristische Organisation?

Nein, natürlich nicht.

Warum hat dann die Arabische Liga entschieden, dass sie eine ist?

Weil die meisten Liga-Mitgliederstaaten sunnitische Muslime sind, während die Hisbollah eine schiitische Organisation ist, die den schiitischen Iran und den alawitischen (fast schiitischen) Bashar al-Assad in Syrien unterstützen.

Also haben Israels arabische Parteien recht, wenn sie die Resolution der Liga verurteilen?

Richtig, aber nicht weise.

BEGINNEN WIR also mit der Hisbollah. Überraschenderweise ist sie in gewisser Art eine israelische Schöpfung. „Mein Terrorist, Dein Terrorist“ weiterlesen

Die große BDS-Debatte

HILFE! Ich betrete ein Minenfeld. Ich kann nicht anders.

Das Minenfeld hat einen Namen: BDS – Boykott, Kapitalabzug (Devestitionen), Sanktionen.

Oft werde ich gefragt, welche Haltung ich dieser internationalen Bewegung gegenüber einnehme. Sie wurde von palästinensischen Aktivisten ins Leben gerufen und hat sich wie ein Lauffeuer über die ganze Welt verbreitet.

Die israelische Regierung betrachtet diese Bewegung jetzt als große Bedrohung, und zwar als eine größere, so scheint mir, denn Daesch oder Iran. Die israelischen Botschaften in aller Welt werden mobilisiert, diese Bewegung zu bekämpfen. „Die große BDS-Debatte“ weiterlesen