Cumhuriyet-Journalisten freilassen
Pressemitteilung von Reporter ohne Grenzen. Die Petition zur Freilassung von Can Dündar und Erdem Gül kann hier unterzeichnet werden.
Reporter ohne Grenzen verurteilt die Verhaftung des Chefredakteurs der oppositionellen Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, und seines Büroleiters in Ankara, Erdem Gül, wegen „Spionage“ und der „Verbreitung von Staatsgeheimnissen“. Die Journalisten hatten im Mai über einen angeblichen Waffenschmuggel von der Türkei nach Syrien berichtet. Nach stundenlangen Verhören ordnete das Gericht die Verhaftung der Reporter an.
„Präsident Erdogan ist kein Freund der Pressefreiheit. Die gestrigen Festnahmen zeigen einmal mehr, dass unabhängiger Journalismus in der Türkei nur unter schwersten Bedingungen möglich ist“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Wir fordern die umgehende Freilassung der Journalisten von Cumhuriyet, einer Vorkämpferin der Pressefreiheit.“
Die Tageszeitung Cumhuriyet wurde von Reporter ohne Grenzen erst vergangene Woche als Medium des Jahres ausgezeichnet. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan persönlich ließ Strafanzeige gegen das Blatt und seinen Chefredakteur Can Dündar stellen, nachdem Cumhuriyet Ende Mai Fotos und ein Video veröffentlicht hatte, die eine Beteiligung des türkischen Geheimdienstes an Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien nahelegen. Daraufhin drohte Erdogan im TRT-Fernsehen, der Journalist werde einen hohen Preis für die Veröffentlichung bezahlen und nicht ungestraft davonkommen. Die Behörden verhängten eine Nachrichtensperre über den Fall und die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein. Gestern mussten die Journalisten aussagen, gefolgt von der Erlassung eines Haftbefehls.
Chefredakteur Dündar muss sich wie viele seiner Kollegen wegen Beleidigung des Präsidenten und wegen Terrorismusvorwürfen vor Gericht verantworten. Hohe Haftstrafen drohen mehreren Cumhuriyet-Mitarbeitern auch wegen der Veröffentlichung von Charlie Hebdo-Karikaturen nach den Anschlägen auf das französische Satiremagazin im Januar. Die Behörden hatten auf diese Geste der Solidarität mit einer nächtlichen Razzia in der Druckerei der Zeitung reagiert. Am 24. April widmete das Blatt seine Titelseite mit der auf Armenisch geschriebenen Schlagzeile „Nie wieder“ dem 100. Jahrestag des Genozids an den Armeniern.
Zu den besorgniserregenden derzeitigen Entwicklungen für die Pressefreiheit in der Türkei gehören die immer stärkere Medienkonzentration in den Händen regierungsnaher Unternehmer sowie eine zunehmend systematische Internetzensur ohne richterliche Prüfung. Ergänzt wird das Arsenal der Einschüchterung und Schikane durch repressive Gesetze, eine von Sicherheitsdenken dominierte Justiz und verbreitete, selten geahndete Polizeigewalt. Redaktionen werden von AKP-Anhängern angegriffen, regierungskritische Medien müssen mit Razzien rechnen. Kritische Journalisten werden inhaftiert und belästigt. Anstatt dem Klima von Selbstzensur und politischer Polarisierung etwas entgegenzusetzen, stacheln Regierung und Staatsspitze mit aggressiver Rhetorik gegen Journalisten die Stimmung zusätzlich an.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht die Türkei auf Platz 149 von 180 Staaten.