Die Puppenspieler von Spanien: Knast für Marionetten-Künstler im Karneval
Furcht vor einer Hexe in einem Kasperle-Theater: staatliche Repression gegen die Kunstfreiheit
Am 5.Februar 2016 führten die beiden Künstler Raúl García und Alfonso Lázaro während des Karnevals in Madrid ein Puppenspiel im Stil des Kasperle-Theaters auf, das sie direkt ins Gefängnis führte (Screenshot ROAR Magazine)
Das Puppenspiel hat eine Jahrtausende alte Tradition, um verbrämt auf satirische Weise auf Missstände, verursacht durch die Obrigkeit, aufmerksam zu machen und mit dem Publikum zu interagieren. Ebenso lang ist die Überwachung derartiger Volksbelustigungen durch Spitzel, die ihre Augen und Ohren offen hielten um die Inhalte, Stimmungen und Reaktionen der Zuschauer zu melden. Wurden die Vorführungen als zu aufrührerisch eingeschätzt, wurden die Künstler oft auf brutale Weise aus dem Verkehr gezogen.
Derartige Vorgänge ordnen wir heutzutage historisch als mittelalterliche Gepflogenheiten längst vergangener Zeiten ein. Spaniens Behörden belehrten uns vor zwei Wochen eines „Besseren“ und gingen sofort rabiat gegen die beiden oben erwähnten Puppenspieler vor. Eine Einheit der Anti-Terror-Polizei erschien auf der „Bühne“ und verhaftete die beiden Puppenspieler wegen „Förderung des Terrorismus“.
Dieser bestand laut Anklage durch den Staatsanwalt darin, das die Hexe mit einem Landlord, einem Richter, einer Nonne und der Polizei kämpfte. Diese Marionetten sind klassische Figuren im Puppenspiel, die den besitzenden Adel, die Justiz, die Kirche und die Polizei oder die Armee als Staatsmacht symbolisieren und als herrschende Klasse manifestiert sind, die das Volk unterdrückt und knechtet, von deren Arbeit sie lebt.
In dem betreffenden Stück rang die Polizeipuppe die „böse Hexe“ zu Boden und bedeckte diese mit einem Tuch mit der Aufschrift „Long Live AlkaETA“ um damit anzuzeigen, wen die Hexe symbolisiert. AlkaETA ist ein zusammengesetztes Kunstwort aus al Qaeda und der baskischen ETA. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass staatlicherseits nicht existierende, aber von ihm willkürlich erfundene Extremisten herangezogen werden, um so mit einer verschärfter Gesetzgebung gegen eine „rebellierende Bevölkerung“ vorgehen zu können – so wie die undemokratischen, autoritären Einschränkungen des Demonstrationsrechts in Spanien.
Die Polizei von Madrid konstruierte daraus eine in der Vorführung so nicht inhaltlich vorkommende „Unterstützung von Terrorgruppen“. Raúl García und Alfonso Lázaro wurden fünf Tage lang in Untersuchungshaft genommen und am Mittwochnachmittag, dem 10.Februar, nach öffentlichem Aufschrei aus der Haft entlassen. Jedoch nicht als unbescholtene freie Männer sondern unter der Auflage, das Land nicht zu verlassen, da keine Fluchtgefahr besteht und die beiden Künstler müssen sich jeden Tag beim Gericht melden. Sie sind immer noch mit Haftzeit bedroht.
So geschehen im Jahr des Herrn 2016 mitten in Europa.
Quelle: https://roarmag.org/essays/titiriteros-puppets-spain-crackdown/