Hannes Rockenbauch: „Ich will Oberbürgermeister von Stuttgart werden“
In einem Exklusivinterview erläutert der Stuttgarter Oberbürgermeisterkandidat Hannes Rockenbauch vor der OB-Wahl am Sonntag Ideen, Konzepte und Inhalte seiner Politik.
Radio Utopie: Hannes, Du bist der gefühlt einzige unter den aussichtsreichen Oberbürgermeisterkandidaten für Stuttgart, der in Stuttgart geboren ist und dort mehr als ein Achtzigstel der Lebenszeit verbracht hat. Wie fühlt man sich so als Eingeborener, wenn man sich ein Leben lang mit Berliner Sippschaftsapologeten der Upperclass und den duften Ideen ihrer Finanz-Souffleusen rumärgern muss?
Hannes Rockenbauch: Ich kann gut verstehen, dass Stuttgart für politische Köpfe ein spannendes Pflaster ist. Mir fällt es allerdings schwer zu beurteilen, was wirklich politisch hinter all den Plakatversprechen und markigen Sprüchen auf den Podien steckt. Dazu kenne ich die Berliner Kandidaten und die Kandidatin aus Schwäbisch Hall einfach zu schlecht. Schön finde ich, dass plötzlich all die Themen, für die ich seit acht Jahren konkrete Arbeit im Gemeinderat leiste und oft keine mutigen Mehrheiten gefunden habe, jetzt aktuell sind. Die Kandidaten der Etablierten feiern sie als ihre Erfindungen. Nach den Sprüchen wird es dann aber vage. Man muss nur einmal fragen, wie sie denn all ihre Versprechen finanzieren wollen, dann kommt einfach nix, gar nix. Da kann man schon verrückt werden, wenn man sich seit acht Jahren müht, mach- und finanzierbare Konzepte zu entwickeln, und dann diese Konzeptlosigkeit vorgeführt bekommt.
Radio Utopie: Du bist Sprecher vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und benimmst Dich auch so. Wen musstest Du vorher abmurksen und ausschalten, um an diese so eindrucksvoll privilegierte und überalimentierte Position zu rutschen?
Hannes Rockenbauch: Das ist eine lange Geschichte, aber kurz gesagt: auf Dauer setzt sich eine ehrliche und konsequente Politik immer durch, vorausgesetzt sie ist mit der Bereitschaft zur Selbst-Ausbeutung, Geduld und der Fähigkeit zwischen unterschiedlichen Standpunkten zu vermitteln gepaart. Mein Streben nach Ruhm, Ehre und Alimenten wird jetzt endlich durch dieses Interview belohnt. Ich danke Radio Utopie ausdrücklich dafür.
Radio Utopie: Warum kandidierst Du überhaupt für das Amt des Stuttgarter Oberbürgermeisters? Kannst Du nicht einfach die Finger vom Autopiloten lassen und die Stadt den „Entscheidern“ überlassen?
Hannes Rockenbauch: Immer mehr Bürger_Innen bekommen doch mit, dass die Autopiloten unserer etablierten Parteien uns voll gegen die Wand fahren lassen. Nicht nur bei globalen Themen wie Klimawandel, Finanzkrise und Gerechtigkeitsfragen sieht jede und jeder: die Alternativlos-Rhetorik soll nur kaschieren, dass sie selber keine Konzepte haben, um die Krisen des 21. Jahrhunderts mutig anzugehen. Die Lösung für diese Probleme kann nicht sein, dass ich selber nach dem Steuerknüppel greife und dann wird schon alles von allein besser. Mir geht es darum, dass die Bürger_Innen zum bestimmenden Akteur der Stadtentwicklung werden. Die Frage: „Wie wollen wir in Zukunft leben?“ können wir nur gemeinsam beantworten. Und die Antworten werden nur funktionieren, wenn die Menschen diese gemeinsam entwickelten Vorstellungen lebendig werden lassen.
Radio Utopie: Du hast die „Landesbank Baden-Württemberg“ (LBBW) als „kriminelle Vereinigung“ bezeichnet. Deren Freunde haben sich natürlich schwer empört gezeigt. Was hast Du eigentlich gegen Banken? Gibt es denn etwa auch in Stuttgart so verdächtiges Volk, dass sich sein Geld nicht selbst erfinden kann und deshalb ständige zu wenig davon hat?
Hannes Rockenbauch: Die LBBW ist kein unschuldiges Opfer der Bankenkrise, sondern sie war Motor der unverantwortlichen Zockerei. Die Politik hat den Versprechungen, Geld aus sich selber heraus zu vermehren, gerne geglaubt. Ich war da immer schon skeptisch. Seit 2005 arbeite ich im Gemeinderat dafür, dass die Stadt aus dieser Bank aussteigt. Die LBBW kennt keinerlei ethische und ökologische Anlagekriterien. Die bisherigen Mehrheiten in der Politik wollten trotzdem, das weiter gezockt wird. Selbst 2009 in der Krise waren sie bereit, mit fast einer Milliarde Euro Steuergeld diese Bank zu retten. Zum Dank dafür spekuliert die LBBW mit Nahrungsmitteln und dem Hunger auf der Welt weiter. An so einer Bank kann ich nichts Gutes finden, deswegen habe ich seit 2009 ein Konzept für die Gründung einer Stadtsparkasse mit einem öffentlichen Auftrag und klaren ethischen Richtlinien vorgeschlagen.
Radio Utopie: Hannes, gibt es eigentlich noch etwas, was Dich schwer erschüttern kann, abgesehen von den kongenialen Werbeplakaten Deiner zugezogenen Mitbewerber?
Hannes Rockenbauch: Ja, ihre mut- und konzeptlosen politischen Vorstellungen.
Radio Utopie: Wie läuft eigentlich Dein Wahlkampf? Motzt Deine Familie schon mit Dir, weil Du ständig als globaler Nomade bei Weltentscheider-Kongressen unterwegs bist und in Hotels übernachtest?
Hannes Rockenbauch: Auch wenn ich jede Nacht zu Hause bin, will ich eigentlich gerne mehr Zeit mit meiner kleinen Familie verbringen als gerade möglich ist. Aber es ist schon toll, welche Dynamik die Leute in unserer Kampagne und den zahlreichen Stadtteilinitiativen entfaltet haben. Ich glaube die kommunalpolitische Basisarbeit bringt Stuttgart auf jeden Fall weiter als irgendein illustrer Weltentscheider-Kongress.
Radio Utopie: Was wünscht Du Dir für die Zukunft von Stuttgart? Könnte es sein – Gott bewahre! – dass sie von den Stuttgartern gestaltet wird?
Hannes Rockenbauch: Zumindest arbeite ich seit acht Jahren an diesem wichtigen Ziel.
Radio Utopie: Was ist, wenn am 7. Oktober Fritz Kuhn mit seinem so bekannten und beliebten Einbaulächeln seine Stimmen einkassiert und sagt, „ja, öh, das mit Stuttgart 21“? Wirst Du ihm huldigen? Wirst Du ihn lieben und achten und ehren und sagen, ja, natürlich unterstütze ich ihn in der Stichwahl, schließlich wissen wir ja schon seit der Landtagswahl was bei den Grünen heraus kommt, wenn man oben nur ordentlich reinstopft?
Hannes Rockenbauch: Ich will Oberbürgermeister von Stuttgart werden. Jetzt entscheiden aber am 7. Oktober erst mal die WählerInnen, was sie wollen, und dann entscheide ich gemeinsam mit meinem Wahlkampagnen-Team. Entweder ich bin am Ende Oberbürgermeister oder ich bleibe Stadtrat. So oder so werde ich nicht aufhören für mehr Demokratie, soziale Gerechtigkeit und ökologische Entwicklung zu kämpfen und dabei immer den Finger in die Wunden der konzept- und mutlosen Parteienpolitik zu legen.
Radio Utopie: Möchtest Du unseren Leserinnen und Lesern – eventuell auch aus Stuttgart – noch etwas mitteilen, welches wir in unseren kleinen Fangfragen vergessen haben sollten?
Hannes Rockenbauch: Viele Leute sagen zu mir: „Herr Rockenbauch, wir finden es toll, was sie alles geleistet haben, aber ich kann Sie leider nicht wählen, da wir Turner als OB verhindern müssen und das kann nur jemand mit einer Partei im Rücken.“ Ich sage dann immer: „Liebe Leute, lasst das Taktieren im ersten Wahlgang sein und wählt mit Herz und Verstand. Seid politisch. Setzt ein Zeichen gegen Stuttgart 21 und für einen echten Politikwechsel in Stuttgart.“
Radio Utopie: Hannes, viel Glück für den 7. Oktober und vielen Dank für das Interview.