Mord an Fischern: Soldaten der italienischen Marine in Indien vor Gericht
Die deutsche Bundesregierung plant bis Ostern einen verfassungsfeindlichen Gesetzesentwurf über die Zulassung bewaffneter privater Milizen (auch ausländischer) an Bord deutscher ziviler Handelsschiffe.
In Indien könnte es zu einem Prozess gegen Angehörige der italienischen Marine auf einem privaten Tanker wegen Tötung harmloser Fischer in der Arabischen See kommen – Rom sträubt sich dagegen mit allen erdenklichen diplomatischen Spitzfindigkeiten.(Karte unter CC-Licenz, Wikipedia)
Sinnloser Mord auf hoher See
Am Nachmittag des 15.Februar 2012 wurden in indischen Hoheitsgewässern zwei indische Fischer ohne Anlass von den sechs als Begleitschutz angeheuerten bewaffneten Sicherheitskräften des Regimentes San Marco des unter italienischer Flagge fahrenden Öltankers MV Enrica Lexie kaltblütig ermordet und ihrem weiteren Schicksal überlassen.
In den deutschsprachigen Medien erschien die Meldung über den Vorfall vor der Küste des Subkontinents in einer Handvoll kirchlichen und österreichischen Blättern – hierzulande war sie keiner Zeitung einer Meldung wert. Wohl aus gutem Grund – der Versuch, Deutschlands Militarisierung ausserhalb der Landesgrenze Stück für Stück voranzutreiben, hat schon längst viele Bereiche des zivilen Sektors erreicht und wird auf die internationale Seefahrt ausgedehnt.
Die indischen Behörden, darunter die Generaldirektion für Seeverkehrswirtschaft, hatten eine Sonderkommission zur Untersuchung gebildet. Am 16.Februar bestellte das Aussenministerium den italienischen Botschafter Sanfelice Giacomo di Monteforte ein, um diesem eine empörte Protestnote der Regierung mitzuteilen.
Zunächst hatte die italienische Botschaft behauptet, dass das italienische Marinepersonal an Bord der Enrica Lexie Warnschüsse abgegeben hätte, nachdem sie angeblich in internationalen Gewässern von den Männern des indischen Fischereifahrzeugs Saint Antony mit Waffen angegriffen worden wären. Auf dem Boot hätte es zudem geblinkt, was man als bedrohliches Blitzen von Gewehrläufen gedeutet hätte.
An Bord des Fischerbootes, das nur mit einer Geschwindigkeit von acht Knoten fahren kann, befanden sich elf unbewaffnete Fischer aus dem Ort Neendakara, neun von ihnen schliefen unter Deck während die beiden getöteten Männer – Ajesh Binki (25Jahre) und Jalastein (45 Jahre) auf dem kleinen Schiff Wache hielten, als der Öltanker in ihrer Nähe vorbeifuhr.
MV Enrica Lexie befand sich auf dem Weg von Singapur nach Ägypten mit einer vierunddreissigköpfigen Besatzung, darunter neunzehn indische Seeleute sowie die sechs Soldaten.
Die Küstenwache nahm die Verfolgung auf und fing mit den Küstenschutzbooten CGS Samar, CGS Lakshmibhai und einem Flugzeug das Schiff ab und geleitete den Tanker für eine Untersuchung nach Kochi. Das Kriegsschiff INS Kabra des Southern Naval Command der indischen Marine wurde ebenfalls hinzugezogen. Das italienische Schiff wurde in der Hafenstadt Kochi noch am gleichen Abend kurz vor Mitternacht verankert.
Die Polizei versuchte in einem Verhör vom Kapitän des Öltankers, Umberto Vitelli, herauszufinden, warum es diese bewaffneten Männer auf einem Handelsschiff gibt, viele Waffen und vier Kisten mit Dokumenten wurden beschlagnahmt.(1)
Schwere Vorwürfe wurden vom Vizeadmiral K.N. Sushil, Flag Officer Commanding-in-Chief des Southern Naval Command und Oberkommandierender (Coastal Defence) der Südzone erhoben. Ohne Meldung über den angeblichen „Angriff von Piraten“ setzte der Öltanker seine Fahrt fort und die Besatzungsmitglieder erzählten das Märchen erst, nachdem die indische Marine nach zweieinhalb Stunden und siebzig Kilometern diese Unmenschen einholten. Es wurden bei späteren Ermittlungen auch keine Einschusslöcher an der Enrica Lexie gefunden, wie vom Kapitän behauptet wurde.(2)
Zwischen Italien und Indien ist ein Streit über die Zuständigkeit der Justiz ausgebrochen. Am 19.Februar flogen Experten des italienischen Verteidigungs- und Justizministeriums nach Dehli, die Verhandlungen brachten keine Einigung. Auch der stellvertretende italienische Aussenminister und UNO-Sonderbotschafter für Afghanistan, Staffan De Mistura, flog in die Hauptstadt. Die italienische Regierung beansprucht Immunität für die Soldaten und zitierte auch extraterritoriale Bestimmungen ihrer Gesetze, die behaupten, dass die Anwesenheit von Militärs an Bord des Frachters von einem italienischen Gesetz gemäss UN-Anti-Piraterie-Abkommen gedeckt wird und damit dieses Personal Teil des italienischen Staates und somit immun gegen die Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit ausländischer Staaten ist.
Indien hält dagegen und argumentiert, dass unabhängig von der Lage des Schiffes (ob in internationalen oder Hoheitsgewässer) ein Verbrechen gegen indische Staatsbürger auf einem indischen Schiff begangen worden war und damit die Zuständigkeit bei Indien für die Verfolgung und die Untersuchung des Falls liegt.(3),(4)
Die beiden italienischen Soldaten, die als Todesschützen identifiziert wurden, Latorre Massimiliano und Salvatore Girone, befinden sich zur Zeit in der Stadt Kollam (englisch Quilon) im indischen Bundesstaat Kerala. Die Untersuchungen wurden in Anwesenheit des italienischen Generalkonsuls Giampaolo Cuttillo und zwei Ballistikexperten durchgeführt.
Die Anklage im Fall eines Prozesses lautet Mord nach § 302 des indischen Strafgesetzbuches.
Paramilitärs sollen auf deutsche Schiffe
Anfang des Monates teilte der Maritime Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto, mit, dass das Wirtschafts-, das Verkehrs-, das Innenministerium sowie der Verband Deutscher Reeder (VDR) im Dezember beschlossen haben, in Deutschland neue Gesetze einzuführen, um an Bord deutscher Handelsschiffe bewaffnete Söldner – auch ausländische Firmen – zertifiziert durch das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle, eine Behörde des Aussenministeriums, einzusetzen.
Vor einem Jahr scheiterte dieser Versuch, die Bundeswehr dafür einzuspannen, kläglich. Jetzt wird über diese Hintertür versucht, entgegen bestehender internationaler Regeln und rechtlicher Grundlage, den Fuss in die Bewaffnung der zivilen Schifffahrt zu stemmen. Otto bezeichnete diese ungesetzliche Rüstung als „internationales Neuland“.(5)
Klabautermann Peter Harry Carstensen (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, drängt ebenfalls auf schnelle Gesetzesänderungen und besass Mitte Februar die Unverfrorenheit, vor dem Nautischen Verein zu Hamburg zu erzählen, dass „deutsche Reeder auch deshalb die nationale Flagge verlassen, weil sie sich unter ihr nicht länger optimal geschützt fühlten. Sie würden dann jene Flaggen und Register aufsuchen, die den Einsatz von privaten Sicherheitskräften erlauben. Deutschland hätte dann in mehrfacher Hinsicht das Nachsehen, und zwar auch im Hinblick auf die Qualität solcher Schutzkräfte.“
Laut Hermann Ebel, geschäftsführender Gesellschafter der Hansa-Treuhand-Gruppe in Hamburg, kommen diese „Besten“ überwiegend von der arabischen Halbinsel. „Übrigens völlig problemlos, was die Hafensicherheitsbehörden betrifft und hoch professionell.“(6)
Eric Prince, Ex-Chef von Blackwater, baute zufälligerweise im Geheimen an dieser gastlichen Örtlichkeit vor zwei Jahren seine neue paramilitärische Armee auf.(7)
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Quellen:
(1) http://maritimesecurity.asia/free-2/piracy-2/italian-navy-personnel-kill-two-indian-fishermen/
(2) http://www.thehindu.com/news/national/article2900883.ece
(3) http://www.washingtonpost.com/world/asia-pacific/india-detains-2-italians-accused-in-fatal-shooting-of-indian-fishermen/2012/02/19/gIQA7m1ANR_story.html
(4) http://economictimes.indiatimes.com/news/politics/nation/india-hardens-stand-on-arrest-of-italian-naval-guards/articleshow/11986873.cms
(5) http://www.abendblatt.de/wirtschaft/article2176823/Bund-will-Gesetz-zur-Piratenabwehr-vorantreiben.html
(6) http://www.verkehrsrundschau.de/hamburger-reederei-setzt-private-sicherheitskraefte-ein-1098438.html
(7) http://www.radio-utopie.de/2011/01/21/gratulation-herr-hoyer-blackwater-bietet-ihren-elitetruppen-in-somalia-das-funffache/