Staatsaufruf: kollektives Singen der Nationalhymne am Montagmittag
Mit Vertiefung der Kluft zwischen Bevölkerung und Regierung werden nationale Symbole der Einigkeit beschworen zum Kaschieren der Differenzen.
Zum ersten Mal feiert ein grosses Land seinen Nationalfeiertag unter Einbeziehung der Armee mit Zurschaustellung ihrer Leistungsfähigkeit.
Wenn ein Land seine Identität beschwört, indem die Regierung den Nationalfeiertag aufwändig zelebriert mit Luftwaffe und dem grössten Kriegsschiff der Marine als Kulisse mit ganztägigen Show-Einlagen davor, die landesweit von allen Medien übertragen werden, so würden doch viele spontan auf Länder mit autoritären Regierungsformen tippen.
Noch dazu, wenn jeder Bürger dazu aufgefordert wird, alles stehen und liegen zu lassen mit was er gerade beschäftigt ist und mit Inbrunst am Mittag die Nationalhymne zu singen.
Allein oder mit der Familie zu Hause in der Wohnung, wo das Radio oder das Fernsehen Schützenhilfe gibt, da ein berühmter Star als Vorsänger für die ganze Nation die Hymne anstimmt – oder eben bei allen Aktivitäten im Freien, die so ein arbeitsfreier Feiertag mit sich bringt, sollen nach den Wünschen des Rats des Nationalfeiertages alle dreiundzwanzig Millionen Menschen des Landes Schulter an Schulter aufstehen und singen.
Die diesjährigen Feierlichkeiten sollen an Aufwand und Pracht alle bisherigen Nationalfeiertage in den Schatten stellen.
Diktaturen, die versuchen mit derartigen Pomp, Show-Programmen, abendlichen Feuerwerken und Militärparaden ihre inneren Probleme zu kaschieren wie Mangelwirtschaft oder Unterdrückung von Dissidenten, oder das Ausland mit der zur Schau gestellten Macht und einer durchaus nicht vorhandenen Einigkeit zu beeindrucken, haben es bisher nicht fertig gebracht, diese verzweifelt kindische Methode eines gleichzeitigen nationalen Intonieren einzusetzen, die fast schon an eine Fiktion in „Big Brother“ gemahnt.
Nun, dieses Land ist Australien, so wie Kanada eine föderale, parlamentarische Monarchie unter der englischen Königin, das am 26. Januar 2015 seinen Nationalfeiertag begehen wird. Die australische und kanadische Regierung sind die gehorsamsten Erfüllungsgehilfen der Vereinigten Staaten von Amerika (Washington’s Affen).
Dieses Gründungsdatum wurde gewählt, um an die Ankunft der „Ersten Flotte“ mit 756 Strafgefangenen und Soldaten im Jahr 1788 in der Bucht der heutigen Metropole Sydney zu gedenken – der Beginn der Kolonisation durch das Britische Empire und die Verdrängung der Ureinwohner.
Das National Australia Day Council hat sich zum ersten Mal dazu entschieden, als neue Komponente das militärische Muskelspielen einzuführen. Die „HMAS Canberra“ (s.Foto), dass neueste und grösste Kriegsschiff wurde erst im November 2014 von der Royal Australian Navy in Betrieb genommen und repräsentiert den „Stolz der Nation“, die Milliarden an Steuergeldern den beauftragten Rüstungsfirmen zukommen liess. Siemens ist eine der Firmen, die als Subauftragnehmer beteiligt ist. Dafür wird die Nation mit den lautstarken Getöse der Salutschüsse aus den sie beschützenden Bordkanonen zur Freude aller übermorgen belohnt. Zusätzlich donnern darüber die Kampfjets der australischen Luftwaffe und grüssen die Einwohner zum Feiertag als Zeichen einer „friedfertigen“ Nation.
Eine neue Zeit ist angebrochen. Ein Tag, der zuvor bis zu diesem Jahr an die Verfolgten und ihre Bewacher als Gründer ihrer Zivilisation gedachte, die zu einer modernen offenen Gesellschaft unter selbstverständlicher Einbeziehung von Menschen aus den unterschiedlichsten Staaten und Kulturkreisen wurde.
Ausser den entrechteten Aborigines, deren mythischen bildlichen und akustischen Darstellungen ihrer Vorstellungen von Natur und Universum als Tourismus-Attraktion, als Abklatsch, Plagiate und Massenware im Musik- und Show-Geschäft, Galerien und Andenkenbuden als orginale Kunst vermarktet wird.
„Dies ist bei weitem der grösste und ehrgeizigste Australia Day, den wir je inszeniert haben“, loben sich die Organisatoren.
Beim Lästern über Militärparaden in Moskau, Peking, Pjöngjang und anderen Ländern sollte zukünftig auch Australien nicht verschwiegen werden.
Stellen Sie sich einmal vor, die Berliner Regierung käme auf die Idee, zum 3.Oktober Jagdgeschwader-Staffeln über dem Brandenburger Tor kreisen zu lassen und ihr bestes Oberwasser- oder Unterwasser-Boot in der Nähe am Kai der Spree zu stationieren. Dazu singt im Land die gesamte Bevölkerung unisono „………Blüh im Glanze dieses Glückes, blühe, deutsches Vaterland!“ Völlig zu Recht eine absurde Idee, die den Chauvinismus und Wiedererstarkung des rechten Flügels der Bundeswehr und Wirtschaft gehörig brandmarken würde.
Die australische Nationalhymne (Video) enthält folgende Strophe als Erinnerung an die Geschichte der Ursprünge der Besiedelung durch britische Strafverfolgte und Versprechen, jeden Neuankömmling in der Gesellschaft willkommen zu heissen :
„Für diejenigen, die die Meere überquert haben, wir haben grenzenlose Ebenen zu teilen, mit Mut lasst uns alle vereinen um Australien gerechten Fortschritt zu bringen…“
Bei der derzeitigen Flüchtlingspolitik der australischen Regierung, die dem Militär Anweisung erteilte, Flüchtlingsboote vor dem Erreichen der Küste auf dem Meer abzufangen und nach Nauru und Papua-Neuguinea in Internierungslager zu bringen würde es nicht wundern, wenn die Hymne zukünftig überwiegend nur noch instrumental gespielt wird so wie es in der D.D.R. aus politischen Gründen wegen des Hinweises auf ein vereinigtes Deutschland der Fall war.
Wenn der Aufruf zum gemeinsamen Singen den Effekt hätte, dass die Australier sich mehr für dieses Problem öffnen, würde dieses Leid der Deportation verhindert.
Die Einwohner in Australien werden von den gleichen Sorgen wie in allen Ländern geplagt, verursacht durch allzu willige Politiker. Umweltverschmutzung, soziale Einschnitte, Armut, Militarisierung, Abbau der Bürgerrechte. Das Bewusstwerden über die Ursachen sickert nur langsam in die Gesellschaft. Bürgerrechtsgruppen werden gegen die schleichende Militarisierung als Normalisierung protestieren, hoffentlich mit Erfolg.
Am kommenden Montag wird eines erst einmal gross geschrieben: Have fun with gun salute!
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