Streik bei der Bahn AG: „GDL bleibt keine andere Wahl“
Aktuelle Pressemitteilung der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer
Seit fast einem Jahr versucht die Deutsche Bahn die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) mit allen Mitteln in die Tarifeinheit zu zwingen. Die GDL hat jedoch das grundgesetzlich verbriefte Recht und nimmt es auch in Anspruch, um für ihre Mitglieder des Zugpersonals in den DB-Eisenbahnverkehrsunternehmen Tarifverträge zu verhandeln und vor allem auch abzuschließen.
Sie wird sich mit ihren Tarifverträgen nicht dem Tarifdiktat der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der DB unterziehen.
DB verlässt bereits am Samstag Verhandlungen
Die GDL hat im Vorfeld der von ihr initiierten Verhandlungen von Freitagmittag bis Sonntagabend sogar eine Schlichtung angeboten, wenn ihre grundgesetzlich garantierten Rechte gewahrt sind. Das hat die DB jedoch am Samstagnachmittag erneut abgelehnt und die Verhandlungen verlassen. Zuvor hat sie der GDL schriftlich mitgeteilt: „Die beiden letzten Tage haben gezeigt, dass es offenbar nicht möglich ist, in freien Verhandlungen zu einem Ergebnis zu kommen. Wir teilen Ihnen deshalb mit, dass wir keine weiteren Verhandlungen außerhalb eines Schlichtungsverfahrens führen werden.“ Gleichzeitig behauptet sie in der Öffentlichkeit: Die GDL sei am Sonntag nicht zu Gesprächen erschienen. GDL-Bundesvorsitzender Claus Weselsky: „Auch die DB muss wissen, dass sie sich die Welt nicht machen kann, wie sie ihr gefällt. Alleiniges Ziel der DB ist es, im Gesamtpaket einer Schlichtung, die Tarifpluralität „weggeschlichtet“ zu bekommen. Klappt das nicht, soll der Tarifabschluss durch end- und ergebnislose Verhandlungen bis zum Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes im Juli 2015 verschleppt werden, damit sie ausschließlich mit ihrer Hausgewerkschaft EVG arbeitgeberfreundliche Tarifverträge schließen und die Spaltung des Lokomotivführerberufes fortsetzen kann.“
Somit bleibt der GDL keine andere Wahl, als nach dem Ultima-Ratio-Prinzip erneut ihre Mitglieder zum Streik aufzurufen:
im Güterverkehr ab Dienstag, den 19. Mai 2015, 15 Uhr
im DB-Personenverkehr ab Mittwochmorgen, 20. Mai 2015, 2 Uhr
Das Ende des Streiks wird die GDL gesondert 48 Stunden zuvor bekannt geben. Das ist somit kein unbefristeter Arbeitskampf, weil er ein von der GDL bekannt gegebenes Ende haben wird.
Alle Pläne sind an Tarifeinheit gescheitert
Noch während des achten Streiks vom 4. bis 10. Mai 2015 ließ der DB-Vorstandsvorsitzende Rüdiger Grube über die Medien seinen Plan A verbreiten. Die GDL sollte ihren Arbeitskampf abbrechen, weil die DB den ehemaligen brandenburgischen Ministerpräsident Matthias Platzeck als „neutralen Beobachter“ im Tarifkonflikt benannte. „Das konnten wir nur als PR-Gag verstehen: Denn über die grundgesetzlich geschützte Koalitionsfreiheit darf kein Beobachter oder Schlichter vermitteln, moderieren oder auch schlichten“, so Weselsky.
Plan B, dass der GDL-Dachverband dbb die GDL in eine Schlichtung zwingen soll, war ein Rohrkrepierer. Vielmehr hat der dbb-Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt erneut klargestellt, dass der dbb hinter der GDL steht.
Plan C hörte sich zunächst ganz vernünftig an: ein Hintergrundgespräch zwischen GDL und DB, das sogar in Tarifverhandlungen von Freitag bis Sonntag mündete. Sie sind aus einem einzigen Grund gescheitert: der Tarifeinheit. Präzedenzfall sind dabei die 2 500 Lokrangierführer, die auf Strecke fahren, somit Streckenlokomotivführer sind. Sie müssen als solche entlohnt werden und dürfen nicht weiter als billiger Jakob eingruppiert werden. Die DB verschiebt immer mehr Leistungen der Streckenlokomotivführer zu den bisher insgesamt 3.100 Lokrangierführern, um billiger zu produzieren und um sie der GDL zu entziehen. In der Europäischen Union ist hingegen klar geregelt: Es gibt lediglich Lokomotivführer, die auf den Strecke unterwegs sind und jene, die nur im Bahnhof rangieren. Und in Deutschland ist diese Richtlinie bereits in der Triebfahrzeugführerscheinverordnung umgesetzt.
Warum das Zugpersonal GDL-Tarifverträge braucht
Das Zugpersonal ist hoch belastet.
– Obwohl Lokomotivführer und Zugbegleiter nur 15 Prozent der 200.000 DB-Beschäftigten in Deutschland ausmachen, entfallen auf sie vier Millionen der insgesamt sieben Millionen Überstunden und Urlaubsrückstände. Allein die Lokomotivführer schieben drei Millionen Stunden vor sich her, was rund 1.800 Vollzeitstellen entspricht. Lediglich 300 Lokomotivführer sollen zusätzlich eingestellt werden. Weselsky: „Das soll die Entlastung des gesamten Zugpersonals sein.“ Deshalb müssen die Überstunden auf 50 im Jahr begrenzt werden, damit mehr Zugpersonal eingestellt wird.
– Durch den unregelmäßigen Schichtdienst kann das Zugpersonal Familie und Beruf ohnehin nur schwer vereinbaren. Daher sind Verbesserungen bei den Ruhetagen, der Schichtfolge sowie der Anrechnung der Arbeitszeit unabdingbar. Allein bei Nachtarbeit ist für die Gesundheit der stark belasteten Kollegen ein Zeitzuschlag allemal wichtiger als Geld.
– Die Wochenarbeitszeit ist um eine auf 38 Stunden zu verringern, das schafft Raum für Familie und Freunde.
Unsere Mitglieder haben klar aufgezeigt, dass für sie die Verringerung der Belastung erste Priorität hat. Dafür nehmen sie einen moderaten Entgeltabschluss unterhalb von fünf Prozent gerne in Kauf.
Völlig unterschiedliche Schwerpunkte
Die Schwerpunkte der GDL stehen diametral zu denen der EVG.
– Für die GDL ist die Senkung der Belastung ein A-Thema, für die EVG nicht.
– Die GDL steht für ein hohes Grundgehalt. Das schafft ein verlässliches Einkommen und sichert die Rente. Die EVG hat hingegen ein niedriges Grundgehalt für Lokrangierführer vereinbart, das mit Zulagen aufgepäppelt werden soll. Zulagen werden auch nur unter bestimmten Bedingungen gezahlt.
– Für die GDL ist die Eingruppierung nach „Berufserfahrung“ absolut wichtig. Die Strecken im Nahverkehr werden alle zehn Jahre ausgeschrieben und auch im Güterverkehr übernimmt die DB-Konkurrenz Fracht oder die Leistungen gehen wieder zurück zur DB. Würden die Kollegen nach „Betriebszugehörigkeit“ tarifiert, müssten sie bei jedem Unternehmenswechsel oft Einbußen von mehreren Entgeltgruppen hinnehmen. Für die DB-Hausgewerkschaft spielt das naturgemäß keine Rolle.
Das sind nur drei Beispiele, die die völlig unterschiedlichen Schwerpunkte der Gewerkschaften belegen. Es ließen sich noch viele Punkte hinzufügen. GDL-Bundesvorsitzender: „Wir handeln im Auftrag unserer Mitglieder. Sie sind es, die mit demokratischen Beschlüssen unsere Richtung bestimmen. Auch ein Plan D wird ohne das definitive Zugeständnis des DB-Vorstands zu einer entstehenden Tarifpluralität keine Lösung bringen.“
Hunderte Millionen für Streiks verpulvert
„Die DB muss endlich aufhören, hunderte Millionen für Streiks zu verpulvern, und schlicht und einfach mit uns über unsere Mitglieder unabhängig von ihrer Hausgewerkschaft verhandeln, so wie es viele andere Eisenbahnunternehmen schon getan haben“, so Weselsky. Es gibt zig Bahnen, beispielsweise die Hessische Landesbahn, die Vogtlandbahn, die Albtal Verkehrsgesellschaft und die NordWestBahn, die für ein und dieselbe Berufsgruppe unterschiedliche Tarifverträge haben. Und die partiellen Anpassungen bei Personaleinsatzplänen sind im Verhältnis zu den Streikkosten ohnehin nur ein Klacks. Weselsky: „Aber auch über die Kosten des Streiks scheint sich der DB-Vorstand keine Gedanken zu machen, denn letztendlich steht dafür ohnehin der Steuerzahler gerade, weil die DB einfach weniger oder gar keine Dividende abführt. Deshalb muss der Eigentümer Bund nicht das Zugpersonal zur Mäßigung rufen, vielmehr sollte er dem Vorstand die Verschwendung von Steuergeldern untersagen.“