Die Kissinger-Story

ICH SCHREIBE dieses (Gott möge mir verzeihen) am Jom Kippur.

Genau vor 43 Jahren, in eben diesem Augenblick, gingen die Sirenen.

Wir saßen im Wohnzimmer, von dem aus man auf eine von Tel Avivs Hauptstraßen hinuntersieht. Die Stadt war vollkommen still. Keine Autos. Überhaupt kein Verkehr. Ein paar Kinder fuhren auf ihren Fahrrädern umher. Das war am Jom Kippur, dem heiligsten Tag im Judentum, erlaubt. Damals wie heute.

Meine Frau Rachel und unser Gast Professor Hans Kreitler waren ins Gespräch vertieft. Der Professor war ein bekannter Psychologe und wohnte in der Nähe, deshalb konnte er zu Fuß kommen.

Und dann wurde die Stille von einer Sirene zerrissen. Einen Augenblick lang dachten wir, es wäre ein Irrtum, aber dann stimmten eine weitere und noch eine weitere Sirene ein. Wir traten ans Fenster und sahen einen Aufruhr. Die Straße, die noch ein paar Minuten zuvor vollkommen leer gewesen war, begann sich mit Militär- und zivilen Fahrzeugen zu füllen.

Und dann ging das Radio an, das wegen Jom Kippur geschwiegen hatte: Krieg war ausgebrochen. „Die Kissinger-Story“ weiterlesen

Wie weit sind wir vom Krieg gegen Russland wegen Syrien entfernt?

O.k. Russen! Schluss mit freundlicher amerikanischer Diplomatie! Nix mehr mit lieber Freund! So donnerte der Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika John Kerry letzte Woche.

Genau aufs Stichwort beschimpfte die üblicherweise überreizte Botschafterin der Vereinigten Staaten von Amerika bei der UNO Samantha Power die Russen als „Barbaren” wegen ihrer Bombenkampagne in Syrien. Sie erwähnte nicht, dass die Vereinigten Staaten von Amerika in Afghanistan schwere B-52 und B-1 sowie Killerdrohnen einsetzen. Die Schoßhundmedien der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs brachten eiligst schmerzerfüllte Bilder von syrischen Babies, wobei wir kaum je ein Bild von einem verletzten afghanischen Kind gesehen haben.

Friedensnobelpreisträger Barack Obama ging in Deckung und überließ Washingtons eskalierenden antirussischen Jihad seinen Mitarbeitern, während er nach Israel zum Staatsbegräbnis von Shimon Peres flog, der jetzt von den Medien als Israels „Mann des Friedens“ hochstilisiert wird. In Wirklichkeit war Perez der Vater von Israels Atomwaffenprogrammen. „Wie weit sind wir vom Krieg gegen Russland wegen Syrien entfernt?“ weiterlesen

Abu-Masens Bilanz

MAHMOUD ABBAS war nicht dabei, als ich mich während der Belagerung Beiruts im Ersten Libanonkrieg zum ersten Mal mit Jasser Arafat traf. Man bedenke, dass das das erste Treffen Arafats mit einem Israeli war.

Einige Monate später, im Januar 1983, wurde ein Treffen Arafats mit einer Delegation des Israelischen Rates für israelisch-palästinensischen Frieden anberaumt. Die Delegation bestand aus General Matti Peled (im Ruhestand), dem ehemaligen Generaldirektor des Finanzministeriums Jaakow Arnon und mir.

Auf dem Flughafen Tunis bat uns ein PLO-Amtsträger, wir sollten uns, bevor wir Arafat persönlich träfen, zuerst mit Abbas treffen. Abbas war für die Beziehungen zu Israel zuständig. Bis dahin hatte ich nur von zwei hohen PLO-Mitgliedern etwas über ihn gehört. Mit ihnen führte ich Geheimgespräche: Said Hamami (der ermordet wurde) und Issam Sartawi (der ermordet wurde).

Mein erster Eindruck von Abu Masen (Abbas’ Kampfname) war, dass er sich sehr von Arafat unterschied, dass er tatsächlich das genaue Gegenteil von ihm war. Arafat war ein warmherziger Mensch, extravagant, extrovertiert, er berührte und umarmte einen gerne. Abbas ist kühl, introvertiert, sachlich. (Masan ist übrigens das hebräische Wort für Bilanz.) „Abu-Masens Bilanz“ weiterlesen

Die Sage von Sisyphus

SIMON PERES ist ein Genie. Ein Genie im Auftreten.

Sein ganzes Leben lang hat er an der Darstellung seiner Person in der Öffentlichkeit gearbeitet. Das Image ersetzte den Menschen. Fast alle Artikel, die über ihn geschrieben wurden, seit er krank geworden ist, handeln von der imaginierten Person, nicht von der realen.

Wie die Amerikaner gerne sagen: Er ist so unecht, dass er schon wieder echt ist.

OBERFLÄCHLICH gesehen, gibt es einige Ähnlichkeiten zwischen ihm und mir.

Er ist nur 39 Tage älter als ich. Er kam ein paar Monate nach mir ins Land, als wir beide 10 Jahre alt waren. Ich wurde in das Genossenschaftsdorf Nahalal geschickt. Er wurde in das Landwirtschafts-Jugenddorf Ben Schemen geschickt.

Von uns beiden kann man sagen, wir seien Optimisten und wir seien unser ganzes Leben lang aktiv gewesen.

Hier enden die Ähnlichkeiten. „Die Sage von Sisyphus“ weiterlesen

Es kann auch hier geschehen

ZIONISMUS WAR eine revolutionäre Idee. Er schlägt vor, dass das „Jüdische Volk“ einen neuen jüdischen Staat im Lande Palästina schafft.

Das zionistische Projekt war tatsächlich sehr erfolgreich. 1948 war die Embryo-Nation stark genug, einen Staat zu schaffen. Israel wurde geboren.

Wenn man ein Haus baut, benötigt man ein Gerüst. Wenn der Bau fertig ist, wird das Gerüst wieder abgebaut.

Aber politische Ideen und Strukturen sterben nicht einfach. Der menschliche Geist ist faul und besorgt und klammert sich an die familiären Ideen, lange nachdem sie obsolet geworden sind.Politische und materielle Interessen werden fest begründet in der Idee und widersteht dem Wandel. „Es kann auch hier geschehen“ weiterlesen

Glücklicher Bibi

„GIB MIR Generäle, die Glück haben!“, rief Napoleon einmal aus.

Das erinnert einen auch an Goethes Faust, der sich beklagte, dass „Wie sich Geschick mit Glück verbinden, das fällt den Toren niemals ein…“

Glück kann ein großer Wohltäter sein. Er kann auch die Ursache von Katastrophen sein. Ich erinnere mich anscheinend daran, dass einer/eine jener üblen griechischen Götter oder Göttinnen ihre menschlichen Opfer zerstörten, indem sie sie glücklich machten.

Glück geht zusammen mit Überheblichkeit. Und Hybris führt zu Nemesis.

MAN NEHME nur als Beispiel Benjamin Netanjahu. Ein sehr glücklicher Politiker – wenigstens bis jetzt. „Glücklicher Bibi“ weiterlesen

Der große Graben

DER Staat Israel war noch jung, als zwei berühmte Schauspieler eine kurze Szene spielten:

Zwei Araber stehen am Strand und verfluchen ein Boot, das neue jüdische Einwanderer bringt.

Dann stehen zwei neue Einwanderer am Strand und verfluchen ein Boot, das neue Einwanderer aus Polen bringt.

Dann stehen zwei Polen am Strand und verfluchen ein Boot, das neue Einwanderer aus Deutschland bringt.

Dann stehen zwei Einwanderer aus Deutschland am Strand und verfluchen ein Boot, das neue Einwanderer aus Nordafrika bringt.

Und so weiter … „Der große Graben“ weiterlesen

Willkommen! Bienvenue!

FÜR MICH ist Frankreich das Land der Freiheit.

Ich war erst zehn Jahre alt, als meine Familie aus Nazideutschland nach Frankreich floh; wir waren auf dem Weg nach Palästina. Wir hatten Angst, an der Grenze festgenommen zu werden. Als unser Zug über den Rhein fuhr, wir Deutschland verließen und in Frankreich einfuhren, atmete ich auf: Aus der Tyrannei in die Freiheit, aus der Hölle ins Paradies.

Dieses Gefühl werde ich nie vergessen. Jedes Mal, wenn ich in Frankreich war, überkam mich dasselbe Gefühl.

In dieser Woche empfand ich es wieder, als ich einen viel gesehenen „Untersuchungsbericht“ über „Antisemitismus in Frankreich“ im Fernsehen sah. Es war ein Haufen Propaganda-Unsinn. „Willkommen! Bienvenue!“ weiterlesen

Grenzenloser Hass

EIN PALÄSTINENSISCHER Jugendlicher bricht in eine Siedlung ein, geht in das nächstbeste Haus, ersticht ein 13jähriges Mädchen im Schlaf und wird getötet.

Drei Israelis entführen einen zufällig aufgegriffenen 12jährigen Palästinenser, bringen ihn auf ein offenes Feld und verbrennen ihn bei lebendigem Leibe.

Zwei Palästinenser aus einer kleinen Stadt bei Hebron betreten Israel illegal, trinken im Vergnügungsviertel von Tel Aviv Kaffee und erschießen dann alle um sich herum, bis sie ergriffen werden. Sie werden zu Nationalhelden.

Ein israelischer Soldat sieht einen schwer verwundeten palästinensischen Angreifer auf dem Boden liegen, geht zu ihm und schießt ihm aus nächster Nähe in den Kopf. Die meisten Israelis spenden ihm Beifall.

Das sind nicht einmal in einem Guerilla-Krieg „normale“ Aktionen. Sie sind Ausdruck bodenlosen Hasses, eines Hasses, der so furchtbar ist, dass er alle Normen der Menschlichkeit überschreitet. „Grenzenloser Hass“ weiterlesen

Wiederkunft?

PLÖTZLICH erscheint ein vertrautes, schon fast vergessenes Gesicht auf dem Fernseh-Bildschirm. Nun gut, nicht ganz vertraut, weil es jetzt einen markanten schwarzen Bart trägt. (Wenn ich er wäre, würde ich ihn schnell abrasieren.) Ja, da war er. Der ehemalige Stabschef und ehemalige Ministerpräsident Ehud Barak.

Barak in neuem Format. Aggressiv. Geradeheraus. Er verurteilt Benjamin Netanjahu mit deutlichen Worten. Er wiederholt fast Wort für Wort meine Warnung, dass Netanjahu den Verstand verloren habe. Er sagt, dass Netanjahu „aus den Fugen geraten ist“, und dass es jetzt „Zeichen von Faschismus“ in Israel gebe.

Das ganze Land erwachte und horchte auf. Barak ist zurück? Endlich ein Mann, der vielleicht Netanjahu besiegen könnte? „Wiederkunft?“ weiterlesen