Iran und Atomabkommen J.C.P.O.A.: Wieder einmal spielen alle, außer uns, auf Krieg

Iran. Washington. Atomabkommen. Libanon. Gaza. Israel. Hamas. Hisbollah.

Es herrscht derzeit mal wieder Verwirrung im Feld. Dabei würde in der Region weder geschossen, noch gestorben, wenn die Weltöffentlichkeit begreifen würde, was für heuchlerische Schurken da auf allen Seiten ihr Spielchen spielen.

Am 2. April 2015 wurde nach zehnjährigem Gefeilsche, Hinhaltetaktik und allen denkbaren Versuchen der internationalen Kriegslobby dies zu sabotieren, in Wien ein Rahmenabkommen für ein internationale Atombakommen namens „Joint Comprehensive Plan of Action“ (J.C.P.O.A.) unterzeichnet. Es machte dem iranischen Staat bzw dessen Machthabern unmöglich, aus seinem Atomenergieprogramm zum Betrieb von Atomkraftwerken ein Atomwaffenprogramm zu entwickeln (bis heute wird diesbezüglich darauf geachtet, dass praktisch keiner in der Öffentlichkeit den Unterschied zwischen Atomprogramm und Atomwaffenprogramm begreift).

Das Atomabkommen war für den Iran von Anfang an wertlos. Obwohl der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 20. Juli 2015 mit den Stimmen der Obama-Regierung das J.C.P.O.A. völkerrechtlich in Kraft setzte, hatte das Weiße Haus durch schäbige juristische Tricks darauf geachtet, dass die U.S.A. jederzeit aus dem Abkommen aussteigen und behaupten konnten, das sei sowieso nie ein bindender Vertrag gewesen (das geht übrigens bis heute so). Entsprechend hatte U.S.-Präsident Obama am 2. April 2015 in seiner Erklärung nur von einer Einigung auf ein „Framework“ von einem noch kommenden Vertrag gesprochen.

Wie wir alle wissen, brach die neue U.S.-Regierung unter Trump dann im Mai 2018 einfach das Abkommen und verhängte noch üblere Sanktionen gegen den Iran als vorher, an die sich bis heute auch die Staatsführungen von Russland und China halten, ohne dass sich irgendjemand außer uns in der Weltöffentlichkeit fragen würde warum eigentlich.

Nur zur Erinnerung: die im Mai 2015 Im Mai gegen den Iran verhängten Sanktionen betrafen nicht etwa den Kauf von angereichertem Uran durch den Iran. Sie beinhalteten den Kauf von angereichertem Uran aus dem Iran. Zweck dieses extrem zynischen Schachzugs war es, den Iran dazu zu zwingen, genau das internationale Atomabkommen nicht mehr einhalten zu können was Washington selbst gebrochen hatte. 05.07.2019, Wann kaufen Russland, China, Frankreich, Deutschland, Großbritannien dem Iran endlich das angereicherte Uran ab?

Sicher wird man jetzt dazu in Washington mit großen Augen fragen: „Ja abba, abba, abba, was hat denn das mit uns zu tun? Joe war doch damals nur Vizepräsient?!“

Nun, nachdem Joe Biden im März 2020 die Vorwahlen der demokratischsten Partei der Welt zur U.S.-Präsidentschaft gegen Bernie Sanders so glänzend gewann, dass er in entscheidenden U.S.-Staaten nicht ein einziges Mal anwesend sein und als Höhepunkt seiner Kampagne gerade mal ein Gymnasium füllen musste, rutschte er auf SARS II alias „der Coronavirus“ – praktischerweise einhergehend mit einem Versammlungsverbot für konkurrierende rechtsradikale Rüpel und Anhang – im November 2020 ebenso ruhmreich ins Weiße Haus.

Wer jetzt gedacht hätte, nun, der Onkel Joe, der werde jetzt endlich Schluss machen mit der schon 1993 für 1999 so auserwählt stimmig prognostizierten iranischen Atombombe und endlich das J.C.P.O.A. unterschreiben, was diese ja verhindert – nein, nein…

Stattdessen wartete auch dieser Cäsar beim üblichen endlosen Kuhhandel in Wien in aller Ruhe ab, bis die von allen angewiderten Iraner schließlich im Juni 2021 den klerikalen, weit rechts stehenden Ebrahim Raisi zum Präsidenten wählten.

Dem wiederum sprangen sofort Hamas und Hizb-Allah (Hisbolla) auf den Schoß.

Die Hamas hatte durch ihre Intervention am 10. Mai im laufenden Machtkampf in Israel zeitweilig ihr rechtsextremistisches dialektisches Pendant Benjamin Netanyahu gerettet, was dann aber letztlich doch noch scheiterte (hier unsere Timeline dazu auf der Nachrichtenagentur).

Der neuen ruhmreichen israelischen Regierung von Naftali Bennett und Yair Lapid lieferte die Hamas nun durch ebenso lächerliches, wie zynisches „Ballon“-Aufsteigen den Vorwand, endlich auch mal bombardieren zu dürfen, diesmal nicht in Syrien (mit dem Segen der russischen Luftabwehr), sondern zum tausendsten Mal in Gaza.

Gerade für die Bennett-Lapid-Regierung eine willkommene Ablenkung davon, in Washington wahlweise auf Knien zu rutschen oder Zeter und Mordio ankündigen zu müssen, damit die Biden-Regierung das internationale J.C.P.O.A.-Abkommen nicht doch noch unterschreibt.

Welch furchtbare, gräßliche Vorstellung in Jerusalems Balfour Street: ein Abkommen, welches es dem Iran unmöglich macht ein Atomwaffenprogramm zu entwickeln. Welche Ausrede bliebe denn dann noch, um endlich, endlich den Iran anzugreifen und einen neuen Angriffskrieg, ein neues Massaker in Vorderasien vom Zaun zu brechen?

Für die Steilvorlage Richtung israelische Regierung zum wenigstens in Gaza wieder aufgenommenen Bombardement holte sich gestern eine Hamas-Delegation unter Ismail Haniyeh beim neuen Präsidenten Raisi im Teheran ein Schulterklopfen ab.

Nebenbei: dass die Hamas als Ableger der Muslimbruderschaft jahrelang die verheerende Syrien-Invasion unterstützt hat, scheint die angeblichen Allierten Syriens in Teheran bis heute nicht zu kümmern.

Ein weiterer glorreicher Besucher in Teheran: Naim Qassem, Vizegeneralsekretär der Hizb-Allah. Gestern traf er den neuen iranischen Präsidenten.

Tags zuvor, am 5., hatte die israelische Luftwaffe unter Kriegsminister Benjamin Gantz, der in drei Wahlen gegen Netanyahu angetreten war, dann zu ihm überlief und heute unter der neuen israelischen Regierung immer noch „Verteidigungsminister“ spielt, im Libanon bombardiert. Der Präsident des sowieso fragilen Libanon, Michel Aoun, hatte wütend gegen diesen Völkerrechtsbruch protestiert, dem wiederum alle Schwachmächte rundum genauso tatenlos zusahen, wie seit Jahrzehnten allen Luftangriffen der Atommacht Israel.

Natürlich hatte auch Aoun, genausowenig wie alle anderen libanesischen Präsidenten vor ihm, nicht erklärt, warum es auch der Libanon nicht schafft sich von irgendwelchen Schwachmächten akkurate Luftabwehrsysteme zu kaufen; ebensowenig wie die in den letzen 50 Jahren Syrien beherrschenden Monarchen der Assad-Dynastie.

Wahrscheinlich sah Aoun einfach keinen Grund dazu das zu erklären, genauso wie bis heute die Assad-Monarchen Syriens. Wieso sollte man auch Fragen beantworten, wenn weltweit keiner außer Radio Utopie sie stellt?

Was machte nun gestern die Hizb-Allah, zeitgleich zum Besuch ihres ehrenwerten Vizegeneralsekretärs in Teheran?

Man hätte auch einfach nichts machen können. Oder Präsi Aoun mal nach einer Luftabwehr fragen. Wir verstehen das: Abwehr. Oder einfach ihm und der libanesischen Armee die Sache überlassen. Oder irgendwelche Schwachmächte mal zum Drüberreden zu bringen können, zum Beispiel im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Oder einfach die israelische Regierung weiter schmoren lassen, in deren Panik vor dem Verlust ihres Brüder-Kriegs-Grimm-Märchens von der iranischen Atombombe, und nicht auf das pathologische Militärbudgetdefizitsyndrom eingehen, was alle israelischen Regierungen plagt seit der Ermordung Yitzhak Rabins durch einen faschistischen Attentäter vor bald 26 Jahren.

Aber nein..

Die Hizb-Allah feuerte wiederum Raketen auf israelisches Territorium. Und prahlte dann damit. Prompt gab es auch für die Hizb-Allah ein Schulterklopfen von Raisi in Tehran. Ganz toll gemacht, hieß es. Wir sind stolz auf Euch, hieß es. Weiter so, hieß es.


Das Wasser, in dem alle hier benannten Fische immer noch schwimmen können, ist nicht das Nichts was sich überall und irgendwo Parlament nennt. Es ist nicht die Propaganda der professionellen Lügner in der Informationsindustrie. Nicht einmal die Bombenbauer und Totmacher der Kriegsindustrie.

Es ist der Schwachsinn, der totale Schwachsinn, der die Menschheit befallen hat wie ein Virus.

Warum halten sich die Staatsführungen von China und Russland an die U.S.-Sanktionen gegen Iran, Venezuela, Syrien und Kuba?

Weil sie es wollen.

Und nunmehr fast 8 Milliarden Schwachköpfe auf dem Planeten sind zu dumm das zu begreifen, vorneweg der Haufen, der meint andere Politik zu machen als der imperiale Komplex, die Kriegslobby, „politischen Klassen“, Machthaber und ihre Höflinge.

(…)

05.07.2019 Wann kaufen Russland, China, Frankreich, Deutschland, Großbritannien dem Iran endlich das angereicherte Uran ab?
14.04.2017 Syrien-Krieg: Eifriges um-die-Wette-Lügen

Sie wissen von der Bundeswehr-Beteiligung an der Kriegsflotte im Persischen Golf, oder?

25.06.2019 Deutschland zieht nicht, es kriecht in den nächsten Angriffskrieg
18.07.2019, Die (Internationale) Große Kriegskoalition bleibt weiter ohne Opposition
19.07.2021 Revanche-Piraterie im Persischen Golf: Irans Regierung spielt der internationalen Kriegslobby direkt in die Hände
24.07.2019 Deutschland in den Iran-Krieg? Gauland kriecht voran
25.07.2019 Wie beschrieben: Deutschland kriecht in den nächsten Krieg, ohne jede Opposition
28.07.2019 U.S. und E.U. teilen Kriegskoalition gegen Iran formal auf um den Bundestag zu passieren
04.08.2019 Der Imperiale Komplex enttarnt sich
20.08.2019 Persischer Golf: Merkel-Regierung organisiert Marine-Kriegskoalition der E.U.
01.09.2019 Persischer Golf: Entsendung der Bundeswehr-Marine aufgeschoben
07.09.2019 Persischer Golf: U.S. und E.U. bereiten „Koordination“ ihrer Streitkräfte vor
25.10.2019 Der Staat verlängert seine Teilnahme an der Internationalen Kriegskoalition

24. Juni 2019: Der damalige U.S.-Außenminister Mike Pompeo fordert eine „globale Koalition“ gegen den Iran. passenderweise vorgetragen bei einem Blitzbesuch Pompeos in Saudi-Arabien.

4. August 2019: Ich lege mich fest und prognostiziere, dass „Bundeswehr-Marine .. noch vor Weihnachten unter Oberbefehl einer ausländischen Macht in den Persischen Golf entsandt“ wird.

29. August 2019: Nachdem vorab Pläne aus dem Bundeswehr-Generalstab („Einsatzführungskommando) und Merkel-Einheitsregierung über eine Entsendung von E.U.-Marinestreitkräften (fünf Fregatten, zwei Korvetten, sowie Luftwaffenverbände und weitere Marineeinheiten für „Schutz“ und Logistik) in den Persischen Golf gestreut worden waren, verschiebt die E.U. nach einem Treffen der Militärminister die Entsendung von E.U.-Marineeinheiten in den Persischen Golf. Vorerst. „Sie wissen von der Bundeswehr-Beteiligung an der Kriegsflotte im Persischen Golf, oder?“ weiterlesen

Rüstungsgroßprojekte

Milliardenpoker des Verteidigungsministeriums

Die Wunschliste von Politik und Militär ist lang, weshalb noch vor den Wahlen im September 2021 eine ganze Reihe von Rüstungsprojekten durch den Bundestag geschleust werden sollen. Hierfür übermittelte das Verteidigungsministerium (BMVg) bereits im Februar eine Liste mit 51 sogenannten 25-Millionen-Vorlagen. Dabei handelt es sich um Vorhaben, die den besagten Betrag übersteigen und denen der Verteidigungs- und Haushaltsausschuss deshalb gesondert zustimmen muss. Schon damals wurde allerdings über eine weitere Aufstellung mit Rüstungsprojekten berichtet, die auf – vorsichtig formuliert – wackliger Finanzgrundlage stünden.

„In einer zweiten Liste werden Vorhaben genannt, deren Finanzierung derzeit ‚nicht gesichert ist‘. Genannt werden 15 Projekte, darunter die Nachfolge für das Kampfflugzeug Tornado und die Beschaffung eines Schweren Transporthubschraubers.“

Insofern mag es auf den ersten Blick etwas überraschen, dass am 10. Mai 2021 in zahlreichen Medien Alarm geschlagen und vor einem Scheitern diverser zentraler Rüstungsprojekte gewarnt wurde. Bei Spiegel Online hieß es beispielsweise:

„Zahlreiche Rüstungs-Großprojekte der Bundeswehr stehen auf der Kippe, weil die Finanzierung nicht gesichert ist. Das geht aus einer vertraulichen Liste des Verteidigungsministeriums hervor, die auch dem SPIEGEL vorliegt. Die Kosten für die bisher nicht sicher finanzierten Vorhaben summieren sich auf etliche Milliarden Euro.“

Eine Erklärung, worin der Unterschied zwischen der Liste im Februar und der im Mai liegt, blieben aber nahezu alle Medienberichte schuldig. Er besteht vor allem darin, dass nun auch die deutsch-französischen Prestigeprojekte Kampfpanzer (Main Ground Combat System, MGCS) und Kampfflugzeug (Future Combat Air System, FCAS) den Stempel „nicht finanzierbar“ verpasst bekommen haben. Beide Vorhaben gelten aber als Schlüsselprojekte von zentraler Bedeutung auf dem Weg zu einem deutsch-französischen Rüstungskomplex und wurden mit viel politischem Kapital angeschoben, weshalb ihr Scheitern einen ziemlichen Scherbenhaufen hinterlassen würde.

Dies gilt insbesondere für das FCAS, über das es in der aktuellen Ausgabe der Internationalen Politik heißt: „Strategisch gesehen wird das Luftkampfsystem der Zukunft der Testfall schlechthin für eine europäische Sicherheitspolitik sein. […] FCAS war von Beginn an eher ein politisches denn ein militärisches Konzept, und vielleicht liegt darin ein Geburtsfehler. […] FCAS ist keine freiwillige Industriekooperation, sondern ein Projekt der politischen Machtzentren in Paris und Berlin.“

Das Verteidigungsministerium argumentiert deshalb schon seit einiger Zeit, diese länderübergreifenden Großprojekte müssten aufgrund ihrer (industrie)politischen Bedeutung entweder über andere Haushalte finanziert oder über eine Zusicherung kontinuierlich und deutlich steigender Militärausgaben abgesichert werden.

Vor diesem Hintergrund hat sich das BMVg zu einem Erpressungsversuch entschlossen, bei dem es hoch pokert. Die Abgeordneten sollen unter Druck und ihnen die sprichwörtliche Pistole auf die Brust gesetzt werden: Entweder ihr sorgt in der ein oder anderen Form für viele zusätzliche Milliarden oder wir fahren zentrale deutsch-französische Rüstungsprojekte gegen die Wand.

Finanzierungsprobleme?

Seit Jahren kennt der Militärhaushalt nur den Weg nach oben: von €24,3 Mrd. (2000) über €32,5 Mrd. (2014) und €38,5 Mrd. (2018) auf €46,9 Mrd. (2021). Dennoch sieht das von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zorn am 9. Februar 2021 veröffentlichte „Positionspapier: Gedanken zur Bundeswehr der Zukunft“ weiteren Handlungsbedarf:

„Angesichts dieser Gesamtlage stellen wir fest, dass die Bundeswehr trotz erheblicher Zuwächse im Verteidigungshaushalt in den vergangenen Jahren weiterhin unterfinanziert ist.“

Für wie unterfinanziert sich das Verteidigungsministerium genau hält, ließ es vermutlich bewusst durchsickern, indem die interne Finanzbedarfsanalyse 2022 an die Medien gelangte. Darin wird von einem Bedarf von €53,1 Mrd. für das Jahr 2022 ausgegangen, der sich schrittweise bis 2025 auf €61,5 Mrd. erhöhen soll.

Insofern hielt sich die Begeisterung auch in Grenzen, als die Eckwerte des Bundeshaushaltes vom 24. März 2021 für 2022 einen Haushalt von €49,3 Mrd. vorsahen, obwohl es sich dabei um eine nochmalige deutliche Steigerung des Haushaltes handeln würde. Besonders erbost zeigten sich militärnahe Kreise aber über die weitergehende Finanzplanung für die Jahre 2023 (€46,32 Mrd.), 2024 (€46,16 Mrd.) und 2025 (€45,73 Mrd.).

Zwar fällt der endgültige Beschluss über den Haushalt 2022 ohnehin in die Verantwortung der nächsten Bundesregierung, die auch nicht an die Vorgaben der Eckwerte für die Jahre 2023 bis 2025 gebunden sein wird. Die Sorge aber, dass die fetten Jahre unter Pandemiebedingungen und einer wahrscheinlichen Regierungsbeteiligung der Grünen nun vorbei sein könnten, dürfte die aktuelle Strategie des Verteidigungsministeriums befeuern, den eigenen budgetären Spielraum schon jetzt möglichst zu erweitern und den der kommenden Bundesregierung so weit als möglich einzuengen.

Outsourcing von Rüstungsgroßprojekten?

Schon November 2020 warnte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer in einer Grundsatzrede:

„Das führt mich zu einem zentralen Punkt: Ich werde einer Finanzierung von Großprojekten zu Lasten der Grundausstattung und der Mittel des täglichen Betriebs nicht zustimmen. […] Neue Großprojekte, so attraktiv sie scheinen und so schön es wäre, die damit versprochenen Fähigkeiten zu haben, können nur dann realisiert werden, wenn dafür in der Finanzplanung zusätzliches Geld bereitgestellt wird – oder wenn andere Großprojekte dafür nicht realisiert werden.“

Als Lösung für die Finanzierbarkeit der besonders teuren länderübergreifenden Großprojekte schwebt dem Verteidigungsministerium nun, wie bereits angedeutet, vor, deren Kosten einfach anderen Haushaltsposten aufs Auge zu drücken.

Zunächst tat sich mit diesem Vorschlag der CSU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl hervor. Als dann aber Kramp-Karrenbauer und Zorn dieselbe Forderung – wenn auch ein wenig verklausuliert – in ihrem bereits erwähnten Positionspapier zur Zukunft der Bundeswehr erhoben, war klar, dass diese abstruse Idee ernst zu nehmen war.

„In diesem Zusammenhang weisen wir mit besonderem Nachdruck darauf hin, dass Verteidigung eine gesamtstaatliche Aufgabe ist, die sich nicht allein im Verteidigungshaushalt niederschlagen kann. Für die Finanzierung von politisch übergeordneten Großvorhaben, vor allem in der multinationalen Rüstungskooperation, steht die Bundesregierung gemeinschaftlich in der Verantwortung. Die staatliche Kernaufgabe Sicherheit muss breit getragen werden.“

Hier geht es um alles andere als Peanuts: Die wichtigsten „politisch übergeordneten Großvorhaben“ der „multinationalen Rüstungskooperation“ sind, wie erwähnt, das deutsch-französische Kampfflugzeug und der Kampfpanzer, bei denen jeweils von Entwicklungskosten von bis zu €100 Mrd. die Rede ist.

Blankoscheck für Rüstungsprojekte?

In seinem Anschreiben zur Liste der finanziell nicht abgedeckten Großprojekte verweist das BMVg explizit darauf, sie sei die direkte Folge der in den Eckwerten anvisierten Mittelausstattung, mit denen die Vorhaben nicht mehr finanzierbar seien: „Die Finanzierungsprobleme ergeben sich insbesondere aus dem im Eckwertebeschluss vorgesehenen starken Rückgang der Haushaltsmittel nach dem Jahr 2022.“

Dennoch sollen die Vorhaben augenscheinlich dem Haushaltsausschuss vorgelegt werden, der dann vor der Wahl steht, sie abzulehnen oder eine Finanzierung ggf. auch außerhalb des BMVg-Etats zuzusichern. Der militärnahe Blog Augengeradeaus schreibt dazu:

„Das Verteidigungsministerium will dem Haushaltsausschuss des Bundestages zahlreiche Rüstungsprojekte zur Billigung vorlegen, auch wenn deren Finanzierung noch offen ist. […] Anfang des Jahres hatte das Verteidigungsministerium den Abgeordneten von Verteidigungs- und Haushaltsausschuss bereits eine lange Liste mit den geplanten Vorhaben übergeben […]. Ein wenig überraschend scheint, dass das Verteidigungsministerium damit auch die bislang als gesichert geltenden multinationalen Projekte infrage stellt – und auch im Haushalt offensichtlich sichere Vorhaben doch nicht so sicher sind.“

Bei den „bislang als gesichert geltenden multinationalen Projekten“ handelt es sich, wie gesagt, vor allem um die deutsch-französischen Projekte FCAS und MGCS, die nun vom Verteidigungsministerium ebenfalls infrage gestellt werden. Die BMVg-Strategie ist dabei insofern recht clever, weil auch die Eckwerte des Bundeshaushaltes nicht nur die Bedeutung dieser Großprojekte betonen, sondern sie gehen sogar so weit, eine Art finanzielle Garantieerklärung für sie vorzuschlagen:

Es besteht Einvernehmen innerhalb der Bundesregierung, dass bestimmte Großvorhaben zum Schließen von Fähigkeitslücken gemäß dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und damit zur Wahrnehmung bereits eingegangener internationaler Verpflichtungen finanziert werden und dem Verteidigungshaushalt ermöglicht wird, die insoweit verabredeten Fähigkeitsziele zu erreichen. Dies gilt insbesondere für Vorhaben im Rahmen der deutsch-französischen und deutsch-norwegischen Rüstungskooperationen […].“

Indem das Verteidigungsministerium nun aber unter anderem keine Finanzgarantie mehr für die deutsch-französischen Rüstungskooperationsprojekte übernimmt, spielt es den Ball den Abgeordneten und dem Finanzministerium zu, die hierdurch massiv unter Zugzwang gesetzt werden: Entweder sie entscheiden sich dafür, den Erpressungsversuchen nicht auf den Leim zu gehen und die Vorhaben zu strecken oder gar einzustampfen. Damit würden sie sich dann aber den Schwarzen Peter für das mögliche Scheitern der Prestigeprojekte einhandeln. Denn spätestens Ende Juni müssen zum Beispiel die Gelder für das FCAS freigegeben werden, ansonsten droht eine deutliche Verschiebung, was das ohnehin gespannte Verhältnis zum Kooperationspartner Frankreich endgültig überdehnen könnte.

Hier geht es allein für die nächste Projektphase bis 2027 (der Erstflug ist erst für 2035 und die Auslieferung für 2040 terminiert) um immense Summen. Die Internationale Politik schreibt dazu: „Der Druck auf die deutsche Regierung also ist immens, denn in diesem Sommer tritt FCAS in die entscheidende Planungsphase. Im April haben die beiden ausführenden Rüstungskonzerne Dassault Aviation und Airbus Defence and Space ihren Regierungen einen Plan auf den Tisch gelegt, der den Bau eines flugfähigen Prototyps bis 2027 vorsieht. Kostenpunkt: rund neun Milliarden Euro. Soll der Zeitplan eingehalten werden, müsste der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode einen Finanzierungsplan freigeben mit dem deutlichen Hinweis: Hier wird nicht mit Millionen, sondern Milliarden gerechnet.“

Vor diesem Hintergrund ist es gut möglich, dass vor allem dem FCAS vom Bundestag ein Blankoscheck ausgestellt wird, schließlich ist das Projekt, in den Worten der Stiftung Wissenschaft und Politik, „too big to fail“.

Sollte den ungedeckten Rüstungsprojekten aber zugestimmt werden, würde dies den Spielraum der nächsten Bundesregierung wohl extrem einengen, was wohl auch das Ziel der Übung sein dürfte: Entweder müsste sie die diesbezüglichen Gelder durch ein weiter jährlich stark steigendes Militärbudget oder durch eine Verlagerung auf andere Haushaltstöpfe garantieren – in beiden Fällen würde das Verteidigungsministerium damit einen milliardenschweren Coup landen.

Veröffentlicht am 18. Mai 2021 auf Informationsstelle Militarisierung (IMI)

Wer Wind säht, wird im Sturm nicht mehr gerettet

Autorin: Emma Fahr

Die Privatisierung der Verwundetenevakuierung in Mali

Man musste schon resigniert mit dem Kopf schütteln, als die neuesten Bundeswehr-Nachrichten über ihre Rettungshubschrauber in Mali bekannt wurden.

Kurz zu den Basics: Die Bundeswehr ist seit 2013 im Rahmen der UN-Mission MINUSMA (Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali) mit bis zu 1100 Soldat:innen im Einsatz. Das MINUSMA-Mandat ist (nach Afghanistan) nicht nur der zweitgrößte, sondern auch der zweittödlichste Einsatz. Mali gilt als „gefährlichste Uno-Mission der Welt“.1 „Wer Wind säht, wird im Sturm nicht mehr gerettet“ weiterlesen

USA warten weiterhin saudische Kampfflugzeuge, die den Jemen bombardieren

Präsident Biden sagte, er beende die Unterstützung für „offensive“ Operationen im Jemen, aber Vertragspartner des Pentagon betreuen weiterhin die saudische Luftwaffe

Die Biden-Administration hat endlich geklärt, inwieweit sie noch Saudi-Arabiens Militär im Jemen unterstützt.

In Kommentaren gegenüber Vox gaben Vertreter des Pentagons zu, dass die USA immer noch Saudi-Arabiens Kampfflugzeuge mit Hilfe von Kontraktoren warten. Die USA könnten die Verträge jederzeit kündigen und somit effektiv die saudische Luftwaffe am Boden halten und die bösartige Bombenkampagne beenden, die diese seit März 2015 durchführt. „USA warten weiterhin saudische Kampfflugzeuge, die den Jemen bombardieren“ weiterlesen

Abrüstung ist das Gebot der Stunde – Plädoyer für eine neue Sicherheitspolitik

Gemeinsame Pressemitteilung von IPB, IALANA und der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) vom 26. April 2021

Höhe der Militärausgaben weltweit: ein politischer, sozialer, ökologischer, ökonomischer und ethischer Skandal

Trotz der anhaltenden Covid-19 Pandemie, der Klimakatastrophe und der wachsenden Ungleichheit stiegen die Militärausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 2,6 Prozent, wie aus der Studie des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (Stockholm International Peace Research Institute – SIPRI) hervorgeht. Demnach erhöhten sich die Ausgaben um knapp 2 Billionen US-Dollar, von 1,917 Billionen US-Dollar im Jahr 2019 auf 1,981 Billionen US-Dollar im Jahr 2020. In einer gemeinsamen Pressekonferenz kritisierten die Friedensorganisationen IPB, IALANA und IPPNW diese Politik der Aufrüstung stark und unterstrichen gesundheitliche, humanitäre und klimatische Folgen. Sie plädierten für einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel in der Sicherheitspolitik, weg vom globalen Wettrüsten hin zu einer zivilen Sicherheitspolitik. „Abrüstung ist das Gebot der Stunde – Plädoyer für eine neue Sicherheitspolitik“ weiterlesen

Warum können wir nicht „einfach“ aus Afghanistan abmarschieren?

Letzte Woche kündigte Präsident Biden einen „vollständigen“ Rückzug der USA aus Afghanistan – dem längsten Krieg in der Geschichte der USA – bis zum 20. Jahrestag des Angriffs auf die Vereinigten Staaten am 11. September an. Diese Ankündigung ist zwar zu begrüßen, aber der verzögerte US-Abzug könnte dazu führen, dass Amerikaner und Afghanen für eine gute PR-Optik in der Heimat unnötig sterben. Wir alle erinnern uns daran, wie viele Amerikaner nach Präsident Bushs „Mission Accomplished“-Show im Irak sterben mussten.

Der Krieg war vom ersten Tag an ein Desaster. Warum also warten, um ihn zu beenden? „Warum können wir nicht „einfach“ aus Afghanistan abmarschieren?“ weiterlesen

Berg-Karabach und der „erste echte Drohnenkrieg“

Autor: Christoph Marischka

Europas Anteil und deutsche Konsequenz

Seit Jahren diskutiert die deutsche Politik über die Anschaffung bewaffneter bzw. die Bewaffnung bestehender Drohnen. Als Argument für die Einführung bewaffneter Drohnen – die längst abseits der Kontroversen im Bundestag vorbereitet wird – wird immer wieder deren vermeintlich höhere Präzision und v.a. der „Schutz deutscher Soldat*innen“ ins Feld geführt. Kritiker*innen argumentieren hingegen, dass die Bewaffnung unbemannter Luftfahrzeuge der Einstieg in eine neue Form der Kriegführung sei, in der die menschliche Kontrolle auch über den Einsatz von Waffen zunehmend an „Maschinen“ – genauer genommen: informationstechnische Systeme – abgegeben werde. „Berg-Karabach und der „erste echte Drohnenkrieg““ weiterlesen

Nach überraschendem Besuch in der Ukraine bezeichnet polnischer Außenminister Nord Stream 2-Pipeline als ‚gegenwärtige Gefahr für den Frieden in Europa‘

Im Wirbelwind der diplomatischen Aktivitäten in Europa und den USA im Zusammenhang mit dem Wiederaufflammen der Kämpfe in der ukrainischen Donbass-Region kann das Kommen und Gehen von Regierungs- und Militärvertretern in der ukrainischen Hauptstadt aufschlussreiche Einblicke liefern. Der Leiter des Militärausschusses der Nordatlantikvertrags-Organisation war am 6. und 7. April in der Ukraine und der Außenminister Polens war am folgenden Tag dort.

Der polnische Außenminister Zbigniew Rau kehrte am 9. April nach Warschau zurück und fasste den Zweck seines Besuchs wie folgt zusammen: „Wir bekräftigen unsere Politik, dass die Ukraine bei der Verteidigung ihrer Souveränität, territorialen Integrität und der Unverletzlichkeit ihrer Grenzen nicht allein ist.“ Polen ist kein Mitglied einer der beiden 2014 gegründeten Verhandlungsvereinbarungen zur Lösung des bewaffneten Konflikts in der ostukrainischen Donbass-Region, dem Normandie-Format und der Trilateralen Kontaktgruppe zur Ukraine. „Nach überraschendem Besuch in der Ukraine bezeichnet polnischer Außenminister Nord Stream 2-Pipeline als ‚gegenwärtige Gefahr für den Frieden in Europa‘“ weiterlesen