Mythos von amerikanischer Führung, Länder notfalls mit Gewalt zu demokratisieren (I)

(Teil I) – Im Jahr 2005 hielt Howard Zinn, Professor an der Boston University, den Vortrag „The Myth of American Exceptionalism (Anm.: Sonderstellung)“ an der elitären Universität in Cambridge im Bundesstaat Massachusetts im dort angegliederten Institut für Technologie Massachusetts (M.I.T.), welches eng mit militärischen, elektronischen, biochemischen, bionischen Themen sowie Robotertechnik als Schnittstelle zwischen Forschung und Wirtschaft maßgeblichen Anteil am militärisch-industriellen Komplex hat und von diesem mit üppig finanzierten Aufträgen versorgt wird.

Wir verweisen heute auf das in englischer Sprache veröffentlichte Video am M.I.T. und den vollständigen Vortrag zum Führungsanspruch der U.S.A. mit ihrer selbsternannten „Amerikanischen Sonderstellung“, der Welt die Demokratie zu bringen, die sich in ihrem verlogenen, zurechtgebogenen historischen Wahn über jede Kritik stellt. Der Text zum Video erschien am 1.Juni 2005 in der „Boston Review“ unter dem Titel „The Power and the Glory – Myths of American exceptionalism“, den wir hiermit von uns ins Deutsche übersetzt veröffentlichen.

Howard Zinn ist einer der grössten u.s.-amerikanischen Denker und Gesellschaftskritiker der jüngsten Geschichte. Aus diesem Grund werden die messerscharfen Überlegungen dieses herausragenden Geistes unterdrückt. Der in 2010 verstorbenene Intellektuelle geniesst die „Ehre“, zu den am meisten ignorierten und totgeschwiegenen Stimmen zu zählen.

Einleitung

Seitdem sind elf Jahre vergangen und die Vereinigten Staaten von Amerika verheeren die ganze Welt mit voller Gewalt weiterhin in ihrem Machtanspruch. Zinns Ausführungen bezogen sich damals unter anderem auf den amtierenden U.S.-Präsidenten George W. Bush in seinem von Beratern unterstützten Wahn, dass Gott ihn dazu auserwählt hätte, die Welt im christlichen Sinne zu befrieden und Armeen in Marsch zu setzen.

Heute stellt sich nach den Niederlagen der U.S.-Armeen im Ausland ein noch viel schlimmeres Bild dar. Offene Auslandseinsätze dieser Art stossen auf Ablehnung in der amerikanischen Gesellschaft. Sie wurden von den gleichen Strategen abgelöst zugunsten intensiv betriebenen asymmetrische Kriegsführungen, die im Geheimen und vor der Öffentlichkeit völlig verschleiert durchgeführt werden. Desweiteren wird sich bei der „Befreiung der Völker von ihrem Elend“ auf die Vernichtung von „global agierenden und vernetzten Terroristen“ in Ergänzung zu den zuvor angegebenen „Tyranneien von Diktatoren“ berufen. „Terroristen“ können in jedem Staat erfunden und eingesetzt werden. Somit ist kein einziges Land mehr sicher vor dem „Amerikanischen Exzeptionalismus“, der von Profiteuren dieser Invasion auf allen Ebenen, umgesetzt von Regierungen als „ausführendes Organ“, mitgetragen wird.

Unter Einbeziehung dieser Entwicklung seit Zinns Ausführungen sind seine Worte an die Öffentlichkeit von einer Brisanz, die unter zusätzlicher Entwicklung der versuchten Kontrolle des wachsenden Kommunikationsmediums Internet zugenommen hat. In jedem Land bekommt die Bevölkerung diese auf unterschiedliche Weise zu spüren.

Eine persönliche wichtige Botschaft gibt uns Howard Zinn mit auf den Weg:

Glücklicherweise gibt es Menschen auf der ganzen Welt, die glauben, dass Menschen überall die gleichen Rechte auf Leben und Freiheit verdienen.

und ein Zitat von William Lloyd Garrison, Herausgeber von „The Liberator“:

„Mein Land ist die Welt. Meine Landsleute sind Menschen.“

Garrison, der sein Leben mit seinem Einsatz für eine bessere Welt in hohem Maße riskierte, schrieb in einem Leitartikel am 1. Januar 1831:

„Ich registriere zahlreiche Einwände gegen die Härte meiner Sprache; doch gibt es nicht Gründe für diese Härte? Ich bin so rau wie die Wahrheit, und so kompromisslos wie die Gerechtigkeit. In dieser Hinsicht werde ich weder moderat denken, sprechen noch schreiben. Nein! Nein! Erklären Sie einem Mann, dessen Haus brennt, moderat Alarm zu schlagen; bitten Sie ihn, seine Frau ein Stück weit aus den Händen des Vergewaltigers zu retten; erklären Sie einer Mutter ihr ins Feuer gefallene Baby stufenweise herauszuholen; – aber drängen Sie mich nicht zu Mäßigung in einem Fall wie diesem. Es ist mir ernst – Ich gebrauche keine Ausflüchte – Ich entschuldige mich nicht – Ich weiche keinen Millimeter zurück; – ABER ICH WERDE GEHÖRT. Die Apathie der Menschen kann eine Statue von ihrem Untersatz springen lassen und die Auferstehung der Toten beschleunigen.“

In Erinnerung daran und im Vergleich zu den heutigen Lebensverhältnissen der westlichen Demokratien, die wir Männern und Frauen wie diesen mutigen Menschen verdanken, ist es nicht nachvollziehbar, wie leichtfertig diese Errungenschaften im Angesicht von Kampagnen neu aufgeflammtem Rassismus, faschistischen Parolen und Abbau von Grundrechten durch den Staat über Bord geworfen werden.

Zum Inhalt des Vortrags, von uns ins Deutsche übersetzt und zum besseren Verständnis der historischen Ereignisse mit ergänzender Linksetzung versehen: „Mythos von amerikanischer Führung, Länder notfalls mit Gewalt zu demokratisieren (I)“ weiterlesen

„Kriegsgebet“ vor 111 Jahren – glühende Parabel von Mark Twain

Mark Twain schrieb im Jahr 1904 die Kurzgeschichte „The War Prayer“, die als Plädoyer gegen imperialistische Kriege in deutschen Verlagen bewusst ignoriert wurde und wird.

In der Fachliteratur wird das Stück als Kritik an der Unterstützung von Angriffskriegen durch Geistliche bezeichnet, doch es ist weit mehr als das: es ist eine Verurteilung der gesamten Gesellschaft, die zustimmend oder tatenlos den Einsatz militärischer Kräfte blindlings akzeptiert. In den westdeutschen Bücherregalen der Vorwendezeit finden Sie keine Ausgabe, in der „Das Kriegsgebet“ publiziert wurde. Nach der Wiedervereinigung fand sich ebenfalls kein Verlag dazu bereit, was einer Zensur des berühmten Autors gleichkommt. Bis auf einen einzigen, der das Buch „Der unbekannte Mark Twain
Schriften gegen den Imperialismus“ vor einem Jahr herausgab.

Den Anlass für Mark Twains Geschichte lieferte eine U.S.-amerikanische Invasion in Asien – der Philippinisch-Amerikanische Krieg. Heute, nach über einem Jahrhundert, haben die intensiven Antikriegszeilen mit keinem einzigen Buchstaben an ihrer Aktualität verloren. Ort der Handlung ist eine christliche Kirche, in der sich die Gemeinde versammelt um die in den Krieg ziehenden Soldaten zu segnen und den Worten des kriegswilligen Pfarrers beifällig zustimmt.

Ein alter Mann, ein Fremder, der die Kirche betritt, hält mit seiner Predigt den Versammelten einen Spiegel vor, indem er die wahre Seite des Krieges blosslegt. Auszug aus „Das Kriegsgebet“ von 1904:

„Später wurde behauptet, dass dieser Mann irrsinnig war, weil das, was er sagte, sinnlos sei.“

Kriegsgegner werden nach wie vor in unserer „aufgeklärten modernen Gesellschaft ignoriert, verleumdet, überwacht und ihre Meinungen von den Regierungen möglichst unterdrückt. Einige werden bei Protesten unter fadenscheinigen Gründen verhaftet und mit Gefängnisstrafen per Gerichtsurteil zum Schweigen gebracht.

Die folgenden Auszüge aus dem Gleichnis sind die Worte des Fremden:

„Das halbe Dutzend Leute, die wagten, den Krieg zu verurteilen und die Gerechtigkeit des Krieges auch nur im geringsten anzuzweifeln, wurden mit wütenden Warnungen bedacht, so dass sie um ihre persönliche Sicherheit besorgt sein und deshalb so schnell wie möglich von der Bildfläche verschwinden mussten und sich nicht mehr sehen lassen konnten.“

„„Kriegsgebet“ vor 111 Jahren – glühende Parabel von Mark Twain“ weiterlesen

Die stets leichtgläubigen Amerikaner

„Als nächstes wird der Staatsmann billige Lügen erfinden, die die Schuld der angegriffenen Nation zuschieben, und jeder Mensch wird glücklich sein über diese Täuschungen, die das Gewissen beruhigen. Er wird sie eingehend studieren und sich weigern, Argumente der anderen Seite zu prüfen. So wird er sich Schritt für Schritt selbst davon überzeugen, dass der Krieg gerecht ist und Gott dafür danken, dass er nach diesem Prozess grotesker Selbsttäuschung besser schlafen kann.“ – Mark Twain – Der Geheimnisvolle Fremde

Als ich heute die Nachrichten in NPR (National Public Radio – der amerikanische „Kultursender“) hörte, stieß mir wieder einmal auf, wie ganz und gar diese einst unabhängige Stimme ausverkauft worden ist. „Die stets leichtgläubigen Amerikaner“ weiterlesen

Die Moro-„Schlacht“

Montag, 12. März 1906

Wir wollen zunächst nicht weiter von meinen Schulkameraden aus der Zeit vor sechzig Jahren sprechen und kommen später darauf zurück. Das Thema bewegt mich sehr, und ich werde es keinesfalls auf die Dauer aus dem Auge verlieren. So stark meine Anteilnahme daran auch sein mag, sie wird zunächst durch ein aktuelles Ereignis beiseite gedrängt, das mir noch stärker am Herzen liegt. Dieses Ereignis überraschte die Öffentlichkeit am vergangenen Freitag in Form eines offiziellen Telegramms des Befehlshabers unserer Truppen auf den Philippinen an unsere Regierung in Washington. Und dies war der Kern der Sache: „Die Moro-„Schlacht““ weiterlesen

Der Esel des Messias

‭„‬DIE ZWEI-STAATEN-Lösung ist tot‭!“ ‬dieses Mantra ist in letzter Zeit von so vielen zuverlässigen Kommentatoren‭ ‬so oft‭ ‬wiederholt worden,‭ ‬dass es wahr sein muss.‭
Nun,‭ ‬das ist es nicht.‭

Ich erinnere an ein oft wiederholtes Zitat von Mark Twain:‭ „‬Der Bericht von meinem Tod war eine Übertreibung.‭“

INZWISCHEN ist dies eine intellektuelle Masche‭ ‬ geworden.‭ „Der Esel des Messias“ weiterlesen