Stolz verkündete die Bundesregierung pünktlich kurz vor den Feierlichkeiten zum 70jährigen NATO-Jubiläum, für das kommende Jahr seien dem Bündnis erstmals Militärausgaben von über 50 Mrd. Euro gemeldet worden. Der offizielle Haushalt soll laut Kabinettsbeschluss im Jahr 2020 allerdings „nur“ 44,9 Mrd. Euro umfassen. Die Ursache für diese Lücke sind Umfrageergebnisse wie etwa vom Deutschlandtrend im April 2019: Sie zeigen ein ums andere Mal, dass sich eine Mehrheit der Bevölkerung – in diesem Fall von 53 Prozent – gegen eine vor allem von den USA massiv eingeforderten Erhöhung der Militärausgaben auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausspricht. Insofern ist es für die Bundesregierung überaus attraktiv, immer mehr Posten in andere Haushalte zu verschieben, sie aber bei der NATO dennoch anzumelden. Das hilft, den offiziellen Haushalt mit Blick auf die skeptische Bevölkerung halbwegs niedrig zu halten und trotzdem bei den NATO-Kollegen auf Schönwetter machen zu können. „NATO-Kriterien: Versteckte Rüstungsausgaben“ weiterlesen
Keine Entwicklung ohne Sicherheit – keine Sicherheit ohne Entwicklung
Autor: Miri Watson
Ein unheiliger Bund: In der deutschen Außenpolitik gab es in den vergangenen Jahren mehr und mehr Bestrebungen, die Arbeit des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit der Arbeit des Ministeriums für Verteidigung (BMVg) zu synchronisieren. Während in einem klassischen Verständnis von Entwicklungshilfe eine Zusammenarbeit zwischen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und Sicherheitsdienstleister_innen oder dem Militär undenkbar ist, wird heute selbstbewusst für eine „vernetzte Sicherheit“[1] geworben. „Keine Entwicklung ohne Sicherheit – keine Sicherheit ohne Entwicklung“ weiterlesen
Ein Spaziergang durch (militarisierte) Forschungslandschaften
Autor: Christoph Marischka
Rezension einer Dissertation im Fachbereich Informatik
Wenn im Folgenden ein Buch aus dem Themenfeld der Militarisierung der Wissenschaften besprochen wird, gebietet es die Ehrlichkeit zu erwähnen, dass der Rezensent und der Autor des betreffenden Buches bekannt und befreundet sind. Wie der Autor, so lässt sich auch das besprochene Buch als freundlich, engagiert und zugewandt beschreiben.
Unter dem Titel „Verquickung der mathematischen und informatischen Forschung an zivilen deutschen Hochschulen mit der modernen Kriegführung“ hat der Shaker Verlag die Dissertation von Thomas Gruber aus dem Jahr 2018 veröffentlicht und obwohl es sich um eine Doktorarbeit aus dem Fachbereich Informatik handelt, die auch ein einigen Stellen mit Formeln aufwartet, ist das Buch auch fachfremdem Publikum wärmstens zu empfehlen. Der beispielhafte Überblick über verschiedene militärische Forschungsprojekte und zivil-militärische Kooperationen im Umfeld deutscher Universitäten liest sich wie ein Spaziergang durch die Manchen sicherlich sehr fremde Wissenschaftslandschaft im Bereich der Mathematik und Informatik.
Wir lernen verschiedene Disziplinen und Subdisziplinen kennen, deren Geschichte, wie etwa bei der Numerik und der Kontrolltheorie, auf wenigen Seiten und auf eine Weise beschrieben wird, die uns schnell zivilen wie militärischen Nutzen erahnen lässt. Mit einer an Nonchalance grenzenden Klarheit werden Dynamiken benannt, die diese Landschaft strukturieren. Wenn Gruber an verschiedenen Stellen feststellt, dass Drittmittelabhängigkeit und Ökonomisierung der Wissenschaft rein theoretische gegenüber anwendungsbezogenen Forschungszweigen systematisch benachteiligen, sieht man vor seinem inneren Auge geradezu entsprechende Beispiele dafür, wie allerorten Neubauten für industrienahe Forschung entstehen, während die Gebäude, in denen tatsächliche Wissenschaft (der Autor des Buches würde hier von Grundlagenforschung sprechen) betrieben wird, zunehmend am Verfallen sind. Die Rückwirkung der jeweiligen Anwendungsperspektiven werden z.B. bei der Spieltheorie benannt: Deren politische, militärische und v.a. wirtschaftliche Nutzung habe u.a. aufgrund der kompetitiven Fragestellungen nicht-kooperativen Ansätzen weitgehenden Vorrang gegenüber kooperativen Zugängen eingeräumt und zu einer allgemeinen Übernahme eines militärischen und wirtschaftswissenschaftlichen Duktus‘ geführt.
Ähnlich knapp aber nachvollziehbar wird auch die Geschichte der Forschung an Künstlicher Intelligenz (KI) beschrieben, die als „vorwiegend praxisbezogenes Forschungsgebiet“ wesentlich von den Konjunkturen abhängig war, nach denen politische, wirtschaftliche und militärische Akteure Hoffnungen in sie setzten. Diese wurden wiederholt enttäuscht, was jeweils zu einem Einbruch der externen Förderung und damit zum Zusammenbruch ganzer Forschungsstrukturen beigetragen hat. Nachdem die Erwartungen in ‚denkende Maschinen‘ weitgehend aufgegeben wurden, wären zwischenzeitlich in Teilgebieten wie den wissensbasierten Systemen und dem Maschinellen Lernen für spezifische Anwendungen große Fortschritte gemacht worden, die jedoch gerade auch für die moderne Kriegführung nutzbar sind und gefördert würden.
Und das ist ja das eigentliche Thema des Buches. Entlang der verschiedenen Fachbereiche und Disziplinen werden u.a. Beispiele für militärische und rüstungsnahe Forschung aus Bremen und Hannover, Leipzig, Bonn und Karlsruhe genannt. Die Zahl der beschriebenen Fälle bleibt dabei übersichtlich und ermöglicht es dem Autor, auch fachfremden Leser*innen Themen wie Verschlüsselung (Kryptologie), Satellitennavigation und Situationserkennung sowohl hinsichtlich ihrer militärischen Relevanz als auch der hieraus abgeleiteten Forschungsfragen und ihrer Bearbeitung näherzubringen. Trotz der überschaubaren Zahl beschriebener Beispiele kommt dabei ein breites Spektrum von Akteuren zur Sprache, die von außen auf die Forschungslandschaft einwirken und zur Verankerung militärischer Fragestellungen beitragen.
Genannt werden u.a. das Verteidigungsministerium und die Hochschulen der Bundeswehr, die DARPA als Forschungsagentur des Pentagon und alte Bekannte aus der Rüstung wie Airbus und der Satellitenhersteller OHB aus Bremen sowie die Sicherheitsforschungsprogramme des Bundes und der EU-Kommission.
Natürlich lässt es das Vorgehen, die verschiedenen Subdisziplinen anhand einzelner, anschaulich beschriebener Beispiele abzuarbeiten, nicht zu, valide Rückschlüsse über deren Relevanz und den jeweiligen Grad an Militarisierung zu ziehen – das erfolgt eher noch durch die historische Rekonstruktion der Fachbereiche und ist auch gar nicht primäres Ziel des Autors. Es gelingt ihm dafür aber, sehr nachvollziehbar jeweils unterschiedliche Formen der militärischen Verquickung herauszuarbeiten.
So findet diese in der Kryptologie – das ist vielleicht wenig überraschend, wird hier aber ausbuchstabiert – weitgehend unter Bedingungen der Geheimhaltung und mit tw. geheimdienstlichen Methoden statt. In der Optimierung bzw. Kontrolltheorie hingegen scheinen Drittmittelprojekte an Hochschulen mit konkreten militärischen Aufgabenstellungen – etwa zur Satellitennavigation – keineswegs unüblich und wenig problematisiert zu sein. Methoden der spezialisierten KI-Forschung werden an den Universitäten vermittelt, entsprechende anwendungsbezogene Forschung findet jedoch primär in großen, außeruniversitären Forschungszusammenhängen und oft unter Dual-Use-Fragestellungen statt.
In Fachbereichen wie der Numerik scheint das militärische Interesse weniger in konkreten Drittmittelprojekten zu bestehen, als darin, Studierende als Praktikant*innen oder Promovierende für Rüstungsunternehmen zu gewinnen und dort ggf. dauerhaft zu binden.
So wie diese Einblicke in die Mathematik und die Informatik, die zweifellos den Schwerpunkt der Dissertation ausmachen, für viele Außenstehende neu und erkenntnisreich sein dürften, verhält es sich womöglich mit dem ersten Drittel des Buches für viele Angehörige der betreffenden Disziplinen. Hier werden in ähnlicher Knappheit Begriffe wie Krieg, moderne Kriegführung und (positiver) Frieden sowie Grundkonzepte der Wissenschaftsethik vorgestellt. Entsprechende Debatten von der unmittelbaren ‚Nachkriegszeit‘ bis zur heutigen Auseinandersetzung um Zivilklauseln werden nachgezeichnet und ganz am Rande eine kurze Geschichte der sozialen Bewegungen in Deutschland er- und die Auslandseinsätze der Bundeswehr aufgezählt. Auch die jüngeren Reformen und aktuellen Tendenzen des deutschen Bildungs- und Wissenschaftssystemes werden überblicksartig dargestellt. Dass all dies Teil einer Doktorarbeit in der Informatik sein kann, sollte beispielgebend sein und ehrt nicht nur den Autor, sondern auch seine Betreuer (Hans-Jörg Kreowski und Gregor Nickel).
Dass all dies auf gut 180 Seiten (mit Literaturverzeichnis und Bildern) passt, wirkt unglaublich – ist aber wahr. Zu bedauern ist allenfalls die Zitationsweise, die Leser*innen ohne Blättern im Unklaren über Art der Quelle lässt, – und der Preis. Mit der ‚modernen Kriegführung‘ bleibt ein zentraler Begriff der Arbeit relativ unbestimmt. Eine kritische Auseinandersetzung, inwiefern durch diese tatsächlich Überlegenheit erreicht wird, oder sie nicht vielmehr eine westliche, technikzentrierte Ideologie verkörpert und damit eine entsprechende (Rüstungs-)Industrie subventioniert, ohne tatsächliche Erfolge auf den durch sie strukturierten Schlachtfeldern hervorzubringen, muss zweifellos an anderer Stelle geführt werden, hätte aber angedeutet werden können.
Thomas Gruber, Verquickung der mathematischen und informatischen Forschung an zivilen deutschen Hochschulen mit der modernen Kriegsführung, Shaker Verlag, Aachen November 2018. 208 Seiten, 49,80 Euro
Artikel Erstveröffentlichung am 4.2.2019 auf Informationsstelle Militarisierung e.V.
(Tarn-)Grüne Förderung von Sprunginnovationen
Autor: Christoph Marischka
Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung wurde unter der Überschrift „Für eine modern ausgerüstete Bundeswehr“ die Gründung einer „Agentur für Disruptive Innovationen in der Cybersicherheit und Schlüsseltechnologien“ unter gemeinsamer Federführung des Innen- und des Verteidigungsministeriums angekündigt, welche die „technologische Innovationsführerschaft“ Deutschlands sicherstellen solle. Bereits im Vorfeld war durchgesickert, dass als Vorbild mit der DARPA die Forschungsagentur des Pentagon galt. Die Rüstungsindustrie frohlockte bereits. „(Tarn-)Grüne Förderung von Sprunginnovationen“ weiterlesen
IMI gratuliert Gewinnern des Aachener Friedenspreises 2017
Preisträger_innen sind das Jugendnetzwerk JunepA und die No MUOS-Bewegung in Sizilien
Die Informationsstelle Militarisierung (IMI e.V.), Trägerin des Aachener Friedenspreises seit 2011, gratuliert dem Jugendnetzwerk JunepA und der No MUOS-Bewegung in Sizilien zur Ernennung als Preisträger 2017.
Unter hohem persönlichen Einsatz wenden sich die Aktivist_innen von No MUOS gegen die fortschreitende Militarisierung des Mittelmeers. Während der Widerstand gegen das Satellitenkommunikationssystem MUOS der US-Armee auf der Militärbasis bei Niscemi im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten steht (Anm. d. Red.: wir berichten im August 2013 in No Muos: Tausende Italiener stürmen U.S.-Militärstützpunkt Niscemi in Sizilien), richtet sich die Bewegung insgesamt gegen Interventionskriege und die Militarisierung der Flüchtlingsabwehr. Durch die Auseinandersetzung mit Rolle und Funktion einer Militärbasis in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft decken sie Natur, Funktionsweise und Verletzbarkeit globaler, hochtechnologisierter Kriegführung auf und können damit Antikriegsaktivist_innen auf der ganzen Welt Vorbild und Ermutigung sein. „IMI gratuliert Gewinnern des Aachener Friedenspreises 2017“ weiterlesen
Nachtaufnahmen der U.S.-Erdbeobachtungs-Satelliten von N.A.S.A. veröffentlicht
US-amerikanische Luft- und Raumfahrtbehörde stellt globale Karte der künstlichen Beleuchtung durch Städte ins Netz.
Zum ersten Mal seit dem Jahr 2012 hat die N.A.S.A. eine neue Weltkarte von Nachtaufnahmen mit den Lichtaufkommen, verursacht durch menschliche Aktivitäten, zusammengestellt und am 12.April 2017 auf der Website Earth Observatory der Nationalen Raumfahrtbehörde der U.S.A. unter der Lizenz Public Domain veröffentlicht. „Nachtaufnahmen der U.S.-Erdbeobachtungs-Satelliten von N.A.S.A. veröffentlicht“ weiterlesen
Der faszinierenste Livestream der Welt: I.S.S. sendet jetzt ständig in Echtzeit
Wie ein Geschenk des Himmels – von Menschen für Menschen, ermöglicht durch Kooperation
Aufnahme von der Erde am 1.Dezember 2014 um 3.50 Uhr MEZ
An Bord der Internationalen Raumstation wurden Aussenbordkameras installiert. Jeder kann nun auf der Erde den Livestream im Internet verfolgen und sieht unseren Planeten in Echtzeit mit den Augen der Astronauten aus vierhundert Kilometer Höhe. Wer wünscht sich nicht, einmal als Passagier mit zu fliegen um dieses zerbrechlich schöne Wunder von oben zu erleben.
Bei ihrer Umrundung kommt es zu Bildausfällen durch „Funklöcher“. Der Bildschirm zeigt dann eine blaue Farbe. Fliegt die I.S.S. über die Erde auf der „Nachtseite“, ist ebenfalls nichts zu sehen es sei denn, sie fliegt über grössere Städte, Ballungsgebiete, Gewitterfronten mit Blitzen oder polares Leuchten. Bei Tageslicht hingegen eröffnen sich grandiose Aussichten. „Der faszinierenste Livestream der Welt: I.S.S. sendet jetzt ständig in Echtzeit“ weiterlesen
Einigkeit im Orbit: russisch-ukrainische „SATAN“-Rakete setzt 33 Satelliten aus, mit an Bord Technik aus den U.S.A., Israel und Saudi-Arabien
Surprise, surprise! Wie im Himmel so auf Erden. Wenn es um Geschäfte und Geldverdienen geht, läuft alles wie geschmiert zwischen grossen Konsortien, deren Regierungen sich förmlich aufplustern vor gegenseitiger Feindseligkeit wie kurz vor der Explosion stehende Supernoven, die ihre harte Strahlung mit Lichtgeschwindigkeit bis zur Erde senden. Lasst euch nicht länger gegeneinander ausspielen und vergesst ganz schnell die Gläubigkeit in die Medien, die ihre Seelen an den Teufel und an die Kriegstreiber verkauft haben (Stichwort I.S.I.S., Isis – gewisse Kreise lieben Wortspiele in Abkürzungen).
Am frühen Abend des 19.Juni 2014 startete vom russischen Luftwaffenstützpunkt Dombarovsky eine Rakete des Typs Dnepr. „Einigkeit im Orbit: russisch-ukrainische „SATAN“-Rakete setzt 33 Satelliten aus, mit an Bord Technik aus den U.S.A., Israel und Saudi-Arabien“ weiterlesen
No Muos: Tausende Italiener stürmen U.S.-Militärstützpunkt Niscemi in Sizilien
(Foto: MUOS in Wahiawa, Hawaii, U.S. Navy unter public domain)
Das militärische Spionage-Militärlager der U.S.-Armee im Süden Italiens wird attackiert – nicht etwa von „Extremisten“ sondern von zivilen Bürgern, die sich seit Jahren entschlossen gegen die Präsenz der Amerikaner auf ihrer Insel wehren.
9.August 2013
„No Muos: Tausende Italiener stürmen U.S.-Militärstützpunkt Niscemi in Sizilien“ weiterlesen
Absturz der Proton-Trägerrakete mit drei GLONASS-M-Navigationssatelliten
Die Pannenserie in der russischen Raumfahrt reisst trotz Rauswurfs korrupter Chefs nicht ab
Am 2.Juli 2013 verlor Russland drei Satelliten des Navigationssatellitenprogramms GLONASS im Wert von rund 100 Millionen Euro bei dem missglückten Start der Trägerrakete „Proton-M“ vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. Anfang Dezember 2010 verloren die russischen Behörden ebenfalls drei GLONASS-Satelliten bei einem Absturz der Trägerrakete über den Pazifik, die ebenfalls von Baikonur gestartet wurde. „Absturz der Proton-Trägerrakete mit drei GLONASS-M-Navigationssatelliten“ weiterlesen