Nachrichten an China oder Das Herz eines Autoren

Der offene Brief von Volker Bräutigam und Wolf Gauer an Botschafter Ma Canrong ist eine Revolte in der medialen Kolonie Deutschland

Es bedurfte zweier Autoren der Alten Schule um angesichts der wie aus dem Nichts ausbrechenden Unruhen von Minderheiten im 1.3 Milliarden Bürger zählenden China, inmitten des wie von Sinnen brüllenden transatlantischen Kriegsgeheuls, einen Leuchtturm anzuschmeissen der gegen den Sturm hält.
Er wirft Licht in eine neue Zukunft der Deutschen als Parlamentäre zwischen den Blöcken und beleuchtet die dunkle Vergangenheit des 47 Jahre dauernden deutschen Kaiserreiches.

Die vom Königreich Preussen 1871 geschaffene, totalitäre Militärnation hatte seinerzeit die blutigen Vernichtungskriege der Deutschen in Afrika und Asien begonnen.
Diese standen im völligen Gegensatz zur bis dahin verlaufenden Geschichte eines föderal und regional völlig unterschiedlich geprägten Handels-, Bauern- und Kulturvolkes, dessen Gebiete im Laufe der Jahrhunderte selbst oft Austragungsort von Gemetzeln verschiedener europäischer Imperien gewesen war.

DER KOLONIALISMUS DES DEUTSCHEN KAISERREICHES (1871-1918)

Dieses Thema ist bis heute ein Tabu. Selbst bei Wikipedia murmelt man im Artikel über den Kolonialismus des Kaiserreiches nur widerwillig etwas von 100.000 Toten in „Deutsch-Ostafrika“ in 1905/1906 und dem 10 Jahre dauernden Unterdrückungskrieg gegen die Hereros in „Deutsch-Südwestafrika“, welchen von 80.000 Angehörigen der Volksgruppe nur 12.000 überlebten.
Der „Boxeraufstand“ wird nur am Rande gestreift. In diesem Krieg der Grossmächte USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Österreich-Ungarn und Russland gegen China im Jahre 1900 wurde eine offenbar bis heute nie recherchierte Anzahl von Chinesen durch die einrückendenen Kolonialmächte umgebracht.

DIE DEUTSCHEN UND DER BOXERKRIEG

Im Zuge des „Boxerkrieges“, der nach der sozialen Bewegung der „Yihetuan“ aus verschiedenen Kampfkunstschulen benannt wurde, fiel am 20.Juni 1900 auch der deutsche Botschafter in Peking, Clemens August Freiherr von Ketteler – mitten in den Kampfhandlungen.

Bereits am 10. Juni war ein 2.066 Mann starkes internationales Expeditionskorps unter dem Befehl des britischen Admirals Seymour aus Tianjin nach Peking marschiert, „um die Gesandtschaften in Peking zu schützen“. Es wurde jedoch von den aufständischen Chinesen besiegt.
Dennoch wurde den ausländischen Botschaftern noch am 19.Juni ein Ultimatum zum Verlassen der chinesischen Haupstadt gesetzt.
Aber diese hatten sich stur geweigert, ihre so wertvolle Kolonie einfach zu verlassen.

Nach dem Tode Kettelers hielt daraufhin der preussische König und Kaiser von Deutschland, Wilhelm II., seine berüchtigte „Hunnenrede“.
(Noch heute werden wir deswegen in britischen Pubs und Palästen „the huns“ genannt)

„Eine große Aufgabe harrt eurer: ihr sollt das schwere Unrecht, das geschehen ist, sühnen. Die Chinesen haben das Völkerrecht umgeworfen, sie haben in einer in der Weltgeschichte nicht erhörten Weise der Heiligkeit des Gesandten, den Pflichten des Gastrechts Hohn gesprochen. Es ist das um so empörender, als dies Verbrechen begangen worden ist von einer Nation, die auf ihre alte Kultur stolz ist. Bewährt die alte preußischen Tüchtigkeit, zeigt euch als Christen im freudigen Ertragen von Leiden, mögen Ehre und Ruhm euren Fahnen und Waffen folgen, gebt an Manneszucht und Disziplin aller Welt ein Beispiel…

Ihr sollt fechten gegen eine gut bewaffnete Macht, aber Ihr sollt auch rächen, nicht nur den Tod des Gesandten, sondern auch vieler Deutscher und Europäer. Kommt Ihr vor den Feind, so wird er geschlagen, Pardon wird nicht gegeben; Gefangene nicht gemacht. Wer euch in die Hände fällt, sei in Eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bestätigt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.“

Am 14.August 1900 fiel Peking.
Die imperialen Truppen, darunter die Deutschen, plünderten die Jahrtausende alte Stadt drei volle Tage.
Danach begannen „Strafexpeditionen“ in der nordchinesischen Provinz Zhili, die sich noch nicht unterworfen hatte. Morde, Plünderungen, Vergewaltigungen durch die „westlichen“ Soldaten als endloses Mittel des Terrors, als Schrecken der Unterdrücker, damit das Volk der Chinesen es niemals wagen sollte sich jemals wieder zu erheben.

Der amerikanische Befehlshaber vermerkte dazu:
„Man kann mit Sicherheit sagen, dass auf einen wirklichen Boxer, der getötet wurde, fünfzehn harmlose Kulis und Landarbeiter, unter ihnen nicht wenige Frauen und Kinder, kamen, die erschlagen wurden.“

Die von den Allierten aufgezwungenen Friedensbedingungen waren, auch für die weitere Entwicklung Chinas, katastrophal.
Noch bis zum Jahre 1940 (!) musste die Chinesen 1.4 Milliarden Goldmark Reparationen und „Entschädigungen an betroffene Ausländer“ zahlen, weil sie sich mit einem Aufstand gegen ein Leben als Sklaven wehrten, unter Zuständen welche bereits mit den „Ungleichen Verträgen“ Mitte des 19.Jahrhunderts begonnen hatten.
Hier nun der Brief der Autoren Volker Bräutigam und Wolf Gauer, dessen Grossvater einst selbst kaiserlicher Marineinfanterist in China gewesen war…

An
Se. Exzellenz, Herrn Botschafter Ma Canrong
Botschaft der Volksrepublik China in Deutschland
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin

Bitte um Entschuldigung

Exzellenz, sehr geehrter Herr Botschafter Ma,

den Bürgern der Volksrepublik China möchten wir, die unterzeichnenden
deutschen Staatsbürger, unser großes Bedauern ausdrücken über die Tibet
betreffenden, nicht dem Frieden dienenden Aktivitäten und Äußerungen der
deutschen Bundeskanzlerin A. Merkel. Ebenso bedauern wir offizielle
Erklärungen der Bundesregierung und einiger Abgeordneter aus Bund und
Bundesländern zur Tibet-Problematik sowie die agitatorische Rolle des
hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Weiterhin betrachten wir die
zu diesem Kontext passenden Stellungnahmen einzelner deutscher
Körperschaften als beschämend und meinen damit ganz besonders die
verfälschende, heuchelnde und verhetzende Berichterstattung vieler
deutscher Massenmedien. Die Bürger der Volksrepublik China um
Entschuldigung zu bitten halten wir für unumgänglich, seit feststeht,
dass Deutschland innerhalb kaum eines Jahres schon wieder zur Bühne für
propagandistische, chinafeindliche Auftritte des Dalai Lama gemacht wird.

Wir äußern unser großes Bedauern, weil wir die düstere, von grausamer
Unterdrückung des einfachen Volkes geprägte Geschichte der tibetischen
Theokratie nicht ignorieren können und weil wir der Ansicht sind, dass
der von der Volksrepublik China im zurückliegenden Vierteljahrhundert
geleistete, notwendige soziale Aufbau im Gebiet der tibetischen Ethnien
weit mehr zu würdigen wäre, als dies bisher bei uns in Deutschland
geschieht. Wir übersehen dabei keineswegs Verstöße früherer Regierungen
in Beijing gegen die in der International Bill of Human Rights
verbrieften Rechte der Bevölkerung in der Provinz Tibet.

Wir sind allerdings der Meinung, dass die jüngsten Gewaltausbrüche in
Lhasa und anderen tibetischen Zentren von den USA und ihren Verbündeten
initiiert, geschürt und ganz bewusst kurz vor den Olympischen Spielen in
Beijing als aussichtsreicher politischer Pressionsversuch inszeniert
worden sind.

Die Exzesse (anfänglich abscheuliche Pogrome gegen chinesisch-stämmige
Bewohner Lhasas, teils angeleitet resp. angeführt von tibetischen
Mönchen) entsprechen nach unserer Kenntnis in keiner Hinsicht der
Tradition buddhistischer Konfliktbewältigung. Sie weisen, wie das im
Falle einer eigenständigen, also nicht ferngelenkten sozialen Bewegung
doch eigentlich zu erwarten gewesen wäre, auch keinerlei "Vorlauf" auf
-- trotz besonderer Anlässe, z.B. der Wahl Beijings als Austragungsort
der Olympischen Spiele vor einigen Jahren.

Die demonstrative Instrumentalisierung des Konfliktes und seines
Exponenten Tenzin Gyatso (Dalai Lama) liegen in erster Linie im
Interesse politischer Gegner und wirtschaftlicher Konkurrenten der
Volksrepublik China. Sie liegen nicht im Interesse der Bevölkerung
Tibets und nicht im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens der
Menschen und aller Völker.

Wir meinen, dass viele gutgläubige, über Geschichte und Gegenwart Tibets
aber leider nur unzureichend informierte Deutsche zu einer emotionalen,
polarisierten Betrachtung des chinesisch-tibetischen Verhältnisses
verleitet wurden. Viele Deutsche kultivieren unreflektiert das
romantische Tibet-Bild einer farbigen, harmonischen Mönchs-Republik
unter der Leitung eines gütigen, hochweisen Dalai Lama -- und werden von
den Massenmedien absichtlich in dieser Scheinwelt gefangen gehalten.
Dieser Tibet-Schimäre wird von Politik und Konzernmedien das Zerrbild
einer aggressiven und kulturfeindlichen Volksrepublik China
gegenübergestellt, wie es weitgehend der US-amerikanischen Propaganda
entspricht.

Wir sind der Meinung, dass die deutsche Regierung vor allem
US-amerikanischen Interessen entgegen kommt, die in wiederholten
Einmischungen und Aggressionen der CIA in Tibet erkennbar wurden und
dokumentiert sind (sogar in US-amerikanischen Quellen).

Die deutsche Regierung unterstützt so die weltweite Separations-Politik
der USA zur Schaffung kleiner und damit abhängiger Staaten, sei es aus
wirtschaftlichen oder aus militärischen Gründen. Das tibetische Hochland
ist von großer strategischer Bedeutung. Diese und seine
Rohstoff-Reserven verleiten Washington und seine Verbündeten zu
Versuchen, ein "asiatischen Kosovo" herbeizuführen. Die Haltung der
deutschen Regierung, insbesondere ihre kalkulierte politische Aufwertung
des Dalai-Lama, sind vom gleichen Ungeist geleitet wie ihre völker- und
verfassungsrechtlich verfehltes Vorgehen in Afghanistan, Afrika und
Jugoslawien.

Wir möchten deshalb Abbitte leisten gegenüber dem chinesischen Volk, das
schon einmal Opfer übler deutscher Kolonialpolitik gewesen ist. Wir
glauben, zugleich für viele Deutsche zu sprechen, die noch nicht den
verfälschenden Darstellungen unserer führenden Politiker und der
kommerzialisierten Massenmedien erlegen sind.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Volker Bräutigam und Wolf Gauer, Autoren

Eckart Spoo, verantw. Redakteur u. Mitherausgeber der Politikzeitschrift
Ossietzky (dort erschien in Heft 10/2008 eine Kurzfassung des Briefes
www.sopos.org/ossietzky )
Dr. Wolfgang Bittner, Schriftsteller
Renate Schoof, Schriftstellerin
Armin Fiand, Rechtsanwalt,
Klaus Hartmann, Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes
und Vizepräsident der Weltunion der Freidenker,
Thomas Immanuel Steinberg, (der Offene Brief wurde auf
www.steinbergrecherche.com veröffentlicht),
Jürgen Rose, Oberstleutnant und Publizist,
Rolf Berthold, Botschafter der DDR in der VR China von 1982 bis 1990,
Gert Flegelskamp, Rentner (der Offene Brief wurde auf www.flegel-g.de
veröffentlicht),
Harald Schorneck,
Uwe Scheer, Hamburg,
Günter Schenk, Beinheim b. Straßburg,
Günther Wassenaar,
Hans Bauer, Rechtsanwalt, Vorsitzender der Gesellschaft zur Rechtlichen
und Humanitären Unterstützung, GRH, Berlin,
Werner Heinlein, Justizbeamter i. R.,
Tilo Schönberg, Speditionskaufmann (der Offene Brief wurde auf
www.0815-info.de/News-file-article-sid-10285.html veröffentlicht),
Knut Mellenthin, Freier Journalist,
Hans Christange, GRH-Mitglied, Jurist (ehem. Staatsanwalt der DDR)
Ingrid Hacker-Klier, Diplom-Übersetzerin,
Johannes Klier, Musiker,
Peter Kleinert, NRhZ-Redakteur und Filmemacher (der Offene Brief wurde
auf www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=12422 veröffentlicht)
Dr. Werner Rügemer, Publizist, Vorsitzender von Business Crime Control (BCC)
Manfred Demmer, stellv. Vorsitzender Kulturvereinigung Leverkusen e.V.
Renate Schönfeld Pfarrerin i. R,Berlin
Klaus von Rau ssendorff, Publizist (Bonn),
Karin Keller, Therapeutin
Ulrich Sander, Journalist
Brigitte Queck, Dipl. Staatswissenschaftlerin Außenpolitik
Willy H. Wahl, Direktionsmitglied Migros-Genossenschafts-Bund (pens.)
(der Brief ist auf
http://seniora.org/index.php?option=com_content&task=view&id=275&Itemid=83
veröffentlicht)
Wilhelm Schulze-Barantin, Frankfurt / M., Vorsitzender Ortsgruppe
Offenbach des Deutschen Freidenkerverbandes (DFV),
Peter Betscher, Vereinigung für Internationale Solidarität, Darmstadt,
Anneliese Fikentscher, Dipl. Ing. und Publizistin,
Andreas Neumann, Systemanalytiker,
und
Ruedi Bosshart, Schweizer Bürger
Veröffentlichung erfolgte auch auf der Seite
www.arbeiterfotografie.com/tibet

Der Brief wird zudem an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages per
E-Mail versandt. Er wurde auf der Seite
www.antikriegsforum-heidelberg.de/glob_krieg/china/offener_brief_entschuldigung_china.html
veröffentlicht.
Ebenso in der "junge Welt" www.jungewelt.de/2008/05-26/056.php
Der Unterzeichnergruppe traten bei:
Joachim Guilliard, Software-Ingenieur, Journalist und Autor, Heidelberg
Hartmut Barth-Engelbart, Schriftsteller und Kabarettist
Helmut Pannek, HWP, Apelern
Hans-D. Ziran, Hofheim, Vorstand Initiative Bürgerschaftlichen
Engagements e.V. sowie die I.B.E.-Vorstandsmitglieder Elke J. Atzinger,
Schwandorf, Jörg-M. Ziran, Hofheim (auf den Offenen Brief wird auf der
Seite www.amsel.webstar-media.com/?modul=news&id=26 verwiesen)
Ingrid Koschmieder,
Heinz Mann
Samy Yildirim, Zaandam, Niederlande
Dr. Helmut Böttiger, Verleger a.D., Taunusstein
Wulf Kirschner, Hamburg
Ivo Lundt, Schriftsteller
Harald Nestler, Berlin, ehem. Handelsrat der DDR in der VR China
Dr. Günter Golenia, Berlin, ehem. Dozent (Humboldt Universität)
Zoltan Ivanfi, Rostock
Hans-Peter Köhn, Vermessungsingenieur

(...)
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